„Ich arbeite gern mit Suchtpatienten...“
Haben Sie diesen Satz schon einmal gehört? Nein? Ich auch nicht.
Denn er fällt in der ärztlich-therapeutischen Praxis leider sehr selten. Und wer ihn tätigt läuft Gefahr irritierte, überraschte oder gar misstrauische Blicke zu ernten. Auf einer Rangskala von Erkrankungen chargiert die Suchtpatient*in im unteren Abschnitt, wenn nicht gar auf einem der letzten Plätze. Allem Bemühen um Verständnis, Gleichbehandlung und Objektivität zum Trotz, ist kaum eine Patientengruppe derart stigmatisiert, wie die Patient*innen mit einer stoffgebundenen oder verhaltensbezogenen Abhängigkeit.
Gleichzeitig suchen gerade diese Patient*innen häufig erst sehr spät das Suchthilfesystem auf, da tief sitzende Scham- und Schuldgefühle sie zum Teil jahrelang daran hindern, offen über ihr Konsumverhalten zu sprechen. Aber 75% genau dieser Patientinnen und Patienten suchen mindestens einmal im Jahr eine niedergelassene Ärzt*in auf, allerdings nicht vordergründig, um Hilfe bei der Bewältigung ihrer Abhängigkeit zu erhalten, sondern häufig, um substanzassoziierte Symptome / Störungen behandeln zu lassen. Welch eine Chance, wenn sie dort auf kompetente Behandler treffen, die die Abhängigkeit erkennen, diagnostizieren und den Patientinnen und Patienten ggf. in das Suchthilfesystem vermitteln!
Der Kurs zur suchtmedizinischen Grundversorgung möchte genau hier ansetzen. Eine grundlegende Sensibilisierung für das Thema Sucht steht ebenso im Vordergrund wie die Vertiefung des Verständnisses für diese Erkrankung und deren zum Teil unliebsamen Begleitphänomene (Verleugnung, Bagatellisierung etc.). Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Curriculums erhalten Screeninginstrumente an die Hand, die es auch bei einem sehr knappen Zeitkontingent erlauben, erste Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Suchterkrankung zu erhalten. Neben der Vermittlung von Diagnosekriterien, wissenswerten rechtlichen Grundlagen und spannenden neurobiologischen Modellen spielt auch der Selbsterfahrungsanteil eine Rolle in diesem Curriculum, welches von erfahrenen Referentinnen und Referenten mit hohem Praxisbezug dargeboten wird. Neben der Stoffkunde spielt insbesondere die motivierende Gesprächsführung, die Kernelement in der Arbeit mit Suchtpatientinnen und Suchtpatienten darstellt, eine herausragende Rolle. Neben einem Modul zu illegalen Drogen wird im Wahlmodul „Substitution mit Diamorphin“ auf die Besonderheiten der diamorphingestützten Substitution eingegangen. Die Teilnahme am Curriculum ist die Voraussetzung zur Erlangung der Zusatzbezeichnung „Suchtmedizinische Grundversorgung“ und stellt die Grundlage für die fachliche Befähigung zur Substitutionsbehandlung dar.
Es wird im Curriculum ein Rahmen geboten, um Erfahrungen auszutauschen, Haltungen zu hinterfragen und neue Ideen zu überprüfen. Und vielleicht gelingt es ein kleines Stück weit, dass der ein oder andere Teilnehmer sich irgendwann im Titel dieses Beitrages wiederfindet.
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