Ärztemangel entschärfen: Teilzeitmodelle als Chance für die medizinische Versorgung
Die Diskussion um den Ärztemangel in Deutschland und Schleswig-Holstein bleibt trotz steigender Medizinerzahlen ein zentrales Thema. Der Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein, Prof. Dr. Henrik Herrmann, betont die Komplexität des Problems und erklärt, dass einfache Lösungen wie die Schaffung zusätzlicher Medizinstudienplätze allein nicht ausreichend sind, um die Herausforderung zu bewältigen.
„Obwohl die Zahl der Ärztinnen und Ärzte kontinuierlich steigt, sehen wir dennoch einen echten Ärztemangel. Dieser resultiert aus einer Vielzahl von Faktoren, darunter der medizinische Fortschritt, neue Krankenhausabteilungen und die gestiegene Anzahl von Patientenkontakten, die eine größere Anzahl von Medizinern erfordern“, erklärt Prof. Herrmann.
Eine häufige politische Forderung ist die Erhöhung der Medizinstudienplätze. Prof. Herrmann weist jedoch darauf hin, dass diese Maßnahme zu kurz greift: „Selbst wenn wir heute 5.000 zusätzliche Medizinstudienplätze schaffen, würde sich die Wirkung erst in 15 bis 20 Jahren zeigen. Bis dahin wird sich die Versorgungssituation bereits stark verändert haben.“
Als kurzfristige Lösung betont Prof. Herrmann die Bedeutung verbesserter Arbeitsbedingungen und einer Reduzierung der Bürokratie im ärztlichen Alltag. „Rund 30 Prozent der Arbeitszeit von Ärztinnen und Ärzten geht für bürokratische Tätigkeiten verloren, was unmittelbar auf die Patientenversorgung durchschlägt“, so Prof. Herrmann.
Teilzeitarbeit als Schlüssel zur Entlastung
Ein weiterer wichtiger Aspekt zur Bekämpfung des Ärztemangels ist die Förderung von flexiblen Arbeitszeitmodellen, insbesondere der Teilzeitarbeit. Prof. Herrmann führt aus: „Teilzeitarbeit wird für viele Medizinerinnen und Mediziner immer attraktiver, um eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu erreichen. Wir müssen diese Entwicklung stärker unterstützen und ermöglichen, dass Ärztinnen und Ärzte auch in Teilzeit sinnvoll und effektiv eingesetzt werden können, ohne dass die Versorgung leidet.“
Er fügt hinzu, dass dies auch für die Attraktivität des Berufsfeldes von großer Bedeutung sei, da junge Ärztinnen und Ärzte zunehmend Wert auf flexible Arbeitszeitmodelle legen. „Indem wir Teilzeitarbeit als festen Bestandteil des ärztlichen Berufs etablieren, können wir einerseits den Arbeitsdruck reduzieren und andererseits das Fachpersonal länger im Beruf halten.“
Zusätzlich müsse die Delegation von Aufgaben an qualifizierte Gesundheitsberufe weiter gefördert werden, um Ärztinnen und Ärzte zu entlasten, ohne die Qualität der Versorgung zu beeinträchtigen.
Ganzheitlicher Ansatz erforderlich
Abschließend betont Prof. Herrmann, dass es keine einzelne Lösung für den Ärztemangel gibt. „Es braucht einen ganzheitlichen Ansatz, der verschiedene Maßnahmen kombiniert. Dazu gehören die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, die Digitalisierung und eine durchdachte Patientensteuerung.“
Prof. Henrik Herrmann: Teilzeit und 4 Tage-Woche auch für Ärzte
Medizin in der Teilzeitfalle? So titelte jüngst das AOK-Magazin Gesundheit + Gesellschaft. Prof. Henrik Herrmann sieht die Medizin vielmehr in einer Bürokratiefalle. Welche Schritte notwendig sind, damit mehr Arztzeit für die Patienten zur Verfügung steht und Ärztinnen und Ärzte zugleich Teilzeit und 4 Tage-Woche wählen können, verrät er im Podcast.