„Zu einem konstruktiven Austausch kommen“ 


ALTERSVORSORGE Rente ist kein Thema, das nur ältere Ärztinnen und Ärzte berührt. Wer sich zum Start seines Berufslebens damit auseinandersetzt, hat größere Sicherheit. Internist Kevin Lütje aus Kiel ist heute 33 Jahre jung und hat schon vor Jahren begonnen, sich mit der Altersvorsorge zu beschäftigen. Im Interview mit Dirk Schnack berichtet er von seinen Beweggründen. 

Herr Lütje, in Schleswig-Holstein sorgen sich manche Ärztinnen und Ärzte im Rentenalter, weil die Erhöhungen in den vergangenen Jahren hinter ihren Erwartungen zurückblieben. Es hat sich eine Interessengemeinschaft gebildet, die mit dem Versorgungswerk in Kontakt getreten ist. Müssen Sie jetzt befürchten, dass deshalb für Ihre Generation später zu wenig Rente bleibt?
Kevin Lütje: Ob solche Befürchtungen berechtigt sind, nur weil aktuelle Rentner­innen und Rentner ihre Interessen vertreten, weiß ich nicht. Ich finde es aber richtig, dass sich meine Generation zumindest Gedanken über ihre spätere Rente macht. Und ich finde es genauso nachvollziehbar, dass auch die aktuelle Generation an Rentenempfängern ihre Interessen vertritt und ihre Argumente einbringt.

Kevin Lütje

„Die Erwerbsbiografien von Müttern sind nun einmal anders und ich persönlich halte es nicht für legitim, dass Kolleginnen durch Kinder benachteiligt werden.“
Kevin Lütje

Haben Sie keine Angst, dass Forderungen nach heutigen Rentenerhöhungen zu Lasten späterer Empfänger gehen und sich die Generationen damit in einen Verteilungskampf begeben, der zu einem vergifteten Klima führen könnte?
Lütje: Nein, diese Gefahr sehe ich nicht. Dafür gibt es zu viele einende Haltungen von Ärztinnen und Ärzten, unabhängig von der Generation, zu der sie gehören. Es gibt sicherlich gute Gründe, sehr vorsichtig mit Rentenanpassungen zu sein, und diese Empfehlung kommt ja auch von Versicherungsmathematikern, die sich damit auskennen. Die Rentenempfänger haben aber ebenfalls gute Argumente. Da gilt es, zu einem konstruktiven Austausch zu kommen und eventuell einen Kompromiss zu erzielen. Das Versorgungswerk wird nach meiner Einschätzung bestimmt nicht zusammenbrechen, wenn die nächste Erhöhung ein wenig besser ausfällt als zuletzt. Zugleich sind Maximalforderungen etwa nach einem vollen Inflationsausgleich aus meiner Sicht kaum realistisch. 

Warum nicht?
Lütje: Weil das dann tatsächlich einseitig zu Lasten der heutigen Beitragszahler ginge. Uns wird heute gesagt, dass wir uns früh um die Altersvorsorge kümmern sollen und das ist auch richtig so. Diesen Anspruch darf man aber auch an die ältere Generation stellen. Viele haben das beherzigt und für das Alter auf mehrere Säulen gesetzt und entsprechend vorgesorgt. Sie haben Kapital angespart, manche besitzen vielleicht auch Immobilien. Diese Gruppe treffen unterdurchschnittliche Rentenanpassungen aus dem Versorgungswerk jetzt weniger hart, weil sie rechtzeitig für ihr Alter geplant haben.

Und wer das nicht geschafft hat, hat Pech gehabt?
Lütje: Da gibt es sicherlich individuelle 
Gründe, die ich gar nicht bewerten kann und will. Aber ich weiß nicht, ob ein Versorgungswerk jede Härte auffangen kann. Das müssen die zuständigen Gremien entscheiden. Ich persönlich glaube, dass eine Gemeinschaft nicht alles absichern kann. Ich bin zum Beispiel skeptisch, ob ein Härtefallfonds für Rentenempfänger sinnvoll ist. Die Entscheidung darüber, welche Kriterien herangezogen und wo Grenzen zu ziehen sind, halte ich für zu komplex.

Wann haben Sie persönlich angefangen, sich mit dem Thema Altersvorsorge zu beschäftigen?
Lütje: Ungewöhnlicherweise kurz nach dem Start ins Berufsleben, also zu Beginn meiner Weiterbildung mit 25 Jahren. Ich bekam von meinem Arbeitgeber den Befreiungsantrag für die gesetzliche Rentenversicherung. Das hat mir damals früh vor Augen geführt, dass es dabei um mein eigenes Geld geht. Außerdem kenne ich wie jeder Mensch Rentner in der eigenen Familie. Wenn man es nicht verdrängt, wird man also durchaus auch in jungen Jahren schon auf das Thema aufmerksam. Ich weiß aber, dass das Thema von manchen jüngeren Kolleginnen und Kollegen verdrängt und auf später verschoben wird.

Verdrängen ist ein gutes Stichwort: Was haben Sie denn persönlich in Sachen Altersvorsorge bislang unternommen, außer von Ihrem Versorgungswerk Notiz zu nehmen?
Lütje: Das aus meiner Sicht wichtigste: Ich habe persönlichen Kontakt mit dem Versorgungswerk aufgenommen und mir offene Fragen beantworten lassen. Meine Erfahrungen waren dabei sehr positiv. Die Kontakte waren hilfreich, die Mitarbeitenden freundlich und der Austausch konstruktiv.

Warum war der Kontakt denn überhaupt erforderlich?
Lütje: Wie viele andere meiner Generation bin ich mal davon ausgegangen, dass ich in meinem Beruf ja ganz gut verdiene und dass das bedeutet, dass meine Rente später ebenfalls vernünftig ausfällt. 
Was das konkret bedeutet, habe ich erst im direkten Austausch erfahren. Ganz konkret: Ich arbeite für eine Zeitarbeitsfirma, die mich auch gut bezahlt. Was ich aber vorher nicht wusste: Die Firma zahlt den Arbeitgeberanteil nur für die wirklich geleisteten Arbeitstage, also für 20 Tage im Monat, nicht aber für den vollen Monat. Für die Rente hätte das einen erheblichen Einschnitt bedeutet, der mir nicht bewusst war. Ich war blauäugig. Das Versorgungswerk hat mir das ausgerechnet und Optionen aufgezeigt, wie ich darauf reagieren könnte.

Das klingt, als wäre unser Versorgungswerk vorbildlich. In manchen Leserbriefen klang das ganz anders.
Lütje: Ich kann ja auch nur für meinen Einzelfall sprechen. Und ich habe durchaus Vorschläge, wo sich das Versorgungswerk vielleicht anders aufstellen könnte – nach meiner Wahrnehmung in seiner Informationspolitik. Die jährlichen Informationsschreiben sind zwar gut und helfen. Damit sich aber mehr Kolleginnen und Kollegen frühzeitig mit dem Thema beschäftigen, wären aus meiner Sicht Informationsveranstaltungen in den Krankenhäusern vor Ort sinnvoll. So könnte man die Aufmerksamkeit für das Thema erhöhen, stärker dafür sensibilisieren und offene Fragen klären. Sehr gespannt bin ich auf das angekündigte Portal mit dem Rechner für die individuelle 
Rente. Das halte ich für ein sinnvolles Instrument. 
Skeptisch bin ich, was die Geschlechtergerechtigkeit angeht. Die Erwerbsbiografien von Müttern sind nun einmal anders und ich persönlich halte es nicht für legitim, dass Kolleginnen durch Kinder benachteiligt werden.

Welchen Lösungsvorschlag haben Sie?
Lütje: Ich habe keine Patentlösung. Klar ist, dass jeder Ausgleich dafür zu Lasten der Gesamtheit geht. Deshalb würde ich mir wünschen, dass Mütter von den Arbeitgebern und der Gesellschaft zumindest in die Lage versetzt werden, so früh und so viel zu arbeiten, wie sie es sich wünschen. Ob man innerhalb des Versorgungswerkes dazu gerechtere Lösungen schaffen kann, wäre vielleicht Thema für eine Arbeitsgruppe und/oder die Kammerversammlung.

Der Sie ja angehören. Sie haben auch für einen Sitz in einem der Gremien des Versorgungswerkes kandidiert, waren aber nicht erfolgreich. Bedauern Sie das?
Lütje: Ja, ich hätte mich gerne eingebracht. Aber ich bin im Finanzausschuss, der auch interessante Themen bearbeitet. Für das Versorgungswerk interessiere ich mich trotzdem und ich will nicht ausschließen, dass ich es bei einer späteren Gelegenheit noch einmal probieren werde. Ich freue mich aber, dass der junge Kollege Dr. Jan Kersebaum es in den Aufsichtsrat geschafft hat. Ich halte es für wichtig, dass sich junge Ärztinnen und Ärzte dort einbringen.

Rente ist ja nicht das einzige Thema, das junge Ärztinnen und Ärzten beschäftigt. Viele machen sich um die Zukunft große Sorgen …
Lütje: Zu Recht, wie ich finde. Es bewegt uns, welche Probleme da auf uns zukommen. Zum Beispiel die Frage, wie wir die ganze Arbeit schaffen sollen, wenn die Babyboomer-Generation in Rente 
geht. Warum hat man nicht vorgebeugt und rechtzeitig mehr Medizinstudienplätze geschaffen? Wenn wir die Last auf mehr Schultern verteilen könnten, wäre das hilfreich für die Versorgung der Bevölkerung. Angenehmer Nebeneffekt wäre übrigens, dass auch mehr Kolleginnen und Kollegen in das Versorgungswerk einzahlen würden. Wenn ich mir etwas von der älteren Generation wünschen dürfte: Wer fit genug dafür ist und noch Lust hat, könnte gerne auch im Rentenalter noch ein paar Stunden in der Woche medizinisch tätig bleiben. Ich glaube, davon würden alle profitieren: Die Gesellschaft, die Patienten, aber auch junge und ältere Ärztinnen und Ärzte gleichermaßen. Wenn eine nennenswerte Zahl dazu bereit wäre, würde das viele Probleme abmildern.


Vielen Dank für das Gespräch.