Prof. Kai Wehkamp spricht vor der Kammerversammlung über KI in der Medizin

KI in der Medizin

Welchen Nutzen hat Künstliche Intelligenz (KI) in der Medizin, wo liegen die Risiken und wie sind sie zu bewerten? Welches Potenzial hat die KI und wo ist sie limitiert? Solche Fragen bewegen Ärztinnen und Ärzte, seit mit KI in der Medizin gearbeitet wird. Antworten gab KI-Experte Prof. Kai Wehkamp. Der Internist war bis 2024 am UKSH beschäftigt und gilt als einer der Ärzte, die sich intensiv mit Chancen und Risiken von KI in der Medizin beschäftigen.

In seinem Vortrag vermittelte er zunächst Grundlagen. KI – was ist das? Eine von Wehkamp genannte Definition: „In der Regel von Computern durchgeführte Aufgaben, die normalerweise menschliche Intelligenz erfordern.“ Wichtig ist die Differenzierung zwischen der regelbasierten KI und der datengetriebenen KI, auch unter dem Begriff Maschinelles Lernen bekannt. Maschinelles Lernen hat deutlich mehr Potenzial, Wehkamp stuft es als „Game Changer“ ein. Maschinelles Lernen basiert auf großen Datenmengen, auf deren Grundlage 
Muster erlernt werden. Wehkamp unterschied drei Formen:

  • Unüberwachtes Lernen: Das Erkennen natürlicher Zusammenhänge oder Auffälligkeiten ohne definiertes Lernziel.
  • Überwachtes Lernen: Lernen anhand von definierten Beispielen in großen Datensätzen. Hier lernt KI vorgegebene Entitäten, Kategorien oder Parameter vorherzusagen oder zu erkennen.
  • Bestärkendes Lernen: Lernen durch Belohnung für ein bestimmtes Outcome im Trial-and-Error-Verfahren.

Wehkamp machte deutlich, dass der Einsatz von KI kein Selbstzweck ist und nicht leichtfertig erfolgen darf. Damit KI erfolgreich in der Medizin eingesetzt werden kann, sind zahlreiche Herausforderungen zu meistern. Dazu gehören u.a.: die Datenqualität muss ausreichend gut sein, die Patientensicherheit und der Datenschutz müssen gewährleistet sein, die technische Performance muss genauso stimmen wie etwa die Wirtschaftlichkeit des Einsatzes. 

Vor allem aber: Es muss ein Nutzen für die Patientenversorgung vorliegen. Das ist längst nicht mit allen entwickelten Lösungen der Fall, wie Wehkamp deutlich machte. Er plädierte angesichts der Herausforderungen und Risiken für einen KI-Einsatz „mit Augenmaß“. Er kann auch nachvollziehen, dass Skepsis gegenüber KI geäußert wird. „Vieles in der Medizin läuft richtig gut. Brauchen wir da wirklich noch KI?“
Ähnlich argumentierte zum Beispiel Petra Struve aus Rendsburg, die hinterfragte, ob der von Wehkamp geschilderte lange Weg zum KI-Erfolg sinnvoll sei. Wehkamps Haltung dazu ist eindeutig: Das Potenzial ist groß und KI sollte dann eingesetzt werden, wenn es die Patientenversorgung verbessert. 

Dr. Michael Schroeder aus Kiel ist überzeugt, dass KI schon heute vieles in der Medizin – und damit für die Patienten – besser macht. Sorge bereitet ihm, dass Europa im Vergleich zu den USA und zu China in diesem Bereich hinterherhinkt. Dr. Christoph Weiß-Becker aus Husum fragt sich, ob bestimmte Leistungen, in denen KI zu besseren Ergebnissen führt, überhaupt noch ohne diese angeboten werden dürften. Die Diskussion drehte sich aber auch um die Frage, wie KI zu einer Entlastung des medizinischen Personals beiträgt und in welchen Bereichen sie mehr und in welchen sie bislang wenig nützt. 


Podcast des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblattes

Staffel 6 - Folge 11

Wo kann KI der Medizin helfen, Prof. Kai Wehkamp? 

Künstliche Intelligenz: Ein Mega-Thema nicht nur in der Medizin, mit dem sich Internist Prof. Kai Wehkamp schon seit vielen Jahren beschäftigt. In der jüngsten Kammerversammlung der Ärztekammer diskutierte er mit den Delegierten über die größten Herausforderungen. Anschließend verriet er im Podcast, was ihn persönlich am Thema fasziniert, wo er die größten Potenziale sieht und warum nicht überall KI drinsteckt, wo es für Laien nach KI aussieht.


Die umfangreiche Tagesordnung hatte aber noch weitere Schwerpunkte. Im Bericht des Präsidenten ging Prof. Henrik Herrmann insbesondere auf die unvermindert schwierige Situation der Krankenhäuser ein. „Die Insolvenzgefahr für Krankenhäuser ist noch nie so hoch gewesen wie jetzt und es handelt sich dabei nicht um eventuell kleinere Krankenhäuser, sondern insbesondere auch um große, absolut notwendige Schwerpunktversorger, auch in unserem Bundesland“, machte Herrmann den Ernst der Lage klar.

Er prognostizierte: „Wenn hier nicht in den nächsten ein bis zwei Jahren eine Unterstützung und Abhilfe stattfindet, werden wir vor ungeahnten Problemen stehen oder eine zunehmende Privatisierungswelle erleben.“ Ob das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG), wie von der Politik erhofft, die erforderlichen Lösungen bringen wird, bezweifelt Herrmann. Er erinnerte an widersprüchliche Aussagen zur Entökonomisierung aus dem Bundesgesundheitsministerium, an den hohen Zeitdruck, an die unzureichende Vorhaltefinanzierung und die überbordenden Vorschriften. Ein Beispiel sind die Kommentierungen zum jüngst veröffentlichten neuen Grouper, die gut 12.000 Seiten umfassen. Für Herrmann steht fest: „Die Zuteilung zu den einzelnen Leistungsgruppen erfolgt deutlich differenzierter als bisher. Es wird mehr zu Verlegungen kommen und das nicht nur aus fachlichen Gründen, sondern um dadurch auch eine finanzielle Aufwertung eventuell zu erreichen. Der Vorgang der Abrechnungsstellung wird diffiziler und erschwert.“ Hinzu komme, dass die Zuordnung von Facharztqualifikationen zu den einzelnen Leistungsgruppen deutlich erschwert werde.

Ein Lichtblick ist für den Präsidenten die konstruktive Zusammenarbeit der Beteiligten auf Landesebene. Er erinnerte daran, dass Ende des Jahres Regionalgespräche beginnen sollen und ab dem ersten Quartal 2026 Regionalkonferenzen. Parallel laufe das Gesetzgebungsverfahren, weil das Landeskrankenhausgesetz angepasst werden muss. Die endgültige Zuweisung krankenhausplanerisch sei ab Juni 2026 möglich.

Vizepräsidentin Prof. Doreen Richardt ging auf die umfangreiche Arbeit des zwölfköpfigen Weiterbildungsausschusses im vergangenen Jahr ein, der neben den turnusmäßigen Sitzungen u.a. zum Erfahrungsaustausch auf BÄK-Ebene etwa zu den Themen Weiterbildung im Ausland, Förderung der Weiterbildung Allgemeinmedizin oder eLogbuch erforderlich war. Nur einige weitere Beispiele für die Arbeit des Ausschusses und der Fachabteilung in der Kammer: Vier interaktive Fragestunden zur Weiterbildung, drei Online-Schulungen für Prüfende, laufende Schulungen für Weiterbildungsbefugte. In der Geschäftsstelle wurden 300 persönliche und zahlreiche telefonische Beratungsgespräche geführt. 1.268 Anträge auf Anerkennung einer Bezeichnung/Qualifikation nach WBO bzw. Anfragen zum Stand der Weiterbildung wurden gestellt, 577 Anträge auf Zulassung als Weiterbildungsstätte bearbeitet. 935 Prüfungen nach Weiterbildungsordnung, vor allem in der Allgemeinmedizin, wurden durchgeführt. Erfreulich gering war die Durchgefallenenquote, die im vergangenen Jahr nur 2,77 % betrug.
Viele Zahlen auch im Tätigkeitsbericht aus der Geschäftsstelle. Nach Angaben der ärztlichen Geschäftsführerin Dr. Gisa Andresen ist die Zahl der Kammermitglieder im vergangenen Jahr auf 20.498 gestiegen. Innerhalb von zehn Jahren hat sich die Mitgliederzahl damit um 25 % erhöht, zuletzt innerhalb eines Jahres um absolut 309. 39 % der Mitglieder sind im Krankenhaus tätig, 29 % im ambulanten Bereich, 26 % sind nicht (mehr) ärztlich tätig. Nur drei Beispiele, womit sich die Verwaltung außer der Weiterbildung beschäftigte: Im vergangenen Jahr mussten in der Rechtsabteilung 1.320 neue Vorgänge angelegt werden. In der Akademie wurden 3.651 Teilnehmende begrüßt, 656 Fortbildungszertifikate vergeben und 15.070 externe Veranstaltungen zertifiziert. Im klinischen Krebsregister wurden 613.762 Meldungen/Datensätze verarbeitet.

Um Weiterbildung ging es auch im Vortrag von Kammervorstandsmitglied Dr. Victoria Witt und Dr. Sylvia Hakimpour-Zern aus dem Vorstand des Landesverbandes der Ärztinnen und Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD). Sie sensibilisierten für ein Problem, das vielen nicht bewusst ist: Die massiven Probleme bei der Weiterbildung für Fachärztinnen und -ärzte im ÖGD. Die wichtigsten Aspekte in Kurzform: Schon heute herrscht Facharztmangel im Öffentlichen Gesundheitswesen, mit zunehmender Tendenz. In Schleswig-Holstein gibt es zwar 15 Gesundheitsämter, aber nur noch neun Weiterbildungsstätten. Eine weitere Reduktion ist wegen der Altersstruktur absehbar.  
Daraus resultieren Engpässe für die Weiterbildung und Risiken für die Versorgung im ÖGD. Akteure verschiedener Organisationen, darunter Witt und Hakimpour-Zern, haben einen Lösungsvorschlag erarbeitet, der die Entwicklung einer Verbundweiterbildungsstätte und einen gezielten Austausch zwischen den Weiterbildungsstätten vorsieht. Die vielfältigen Aufgaben und Kernkompetenzen des oft als „dritte Säule“ des Gesundheitssystems bezeichneten ÖGD sollen besser vermittelt werden. 

Auf die Frage aus der Versammlung, ob es denn so tragisch sei, wenn es speziell diese Weiterbildung nicht mehr gebe, verwies Hakimpour-Zern auf die Pandemie, als sich der Wert dieser Facharztweiterbildung im Öffentlichen Gesundheitsdienst gezeigt habe. Im ÖGD allein auf die anderen Weiterbildungen zu setzen, hält sie für nicht ausreichend.  
Dirk Schnack