Schleswig-Holstein setzt auf Anreize statt Quote
Kann eine Landarztquote helfen, die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum zu stärken? Viele Bundesländer probieren diesen Weg, Schleswig-Holstein bislang nicht. Nach derzeitigem Stand scheint diese Linie auf breite Zustimmung bei den Akteuren im Land zu stoßen. Eine Veranstaltung der Ärztekammer zum Thema „Versorgung im ländlichen Raum – Landarztquote reloaded?“ zeigte, warum.
Die Bemühungen um Nachwuchs für die ländliche Versorgung laufen in vielen Bundesländern auf Hochtouren. Auch Schleswig-Holstein unternimmt viel. Eine Landarztquote stieß bislang im Norden auf Ablehnung. Diese Linie scheint auch weiterhin Konsens zu sein. Zumindest fanden die Beteiligten der Veranstaltung in der Ärztekammer nur in begrenztem Umfang Argumente für die Landarztquote. Allerdings warnte der Vorsitzende des Hausärzteverbandes in Schleswig-Holstein, Dr. Thomas Maurer, davor, die Quote ad acta zu legen. „Wir dürfen nicht diejenigen vergessen, die ohne eine Quote gar nicht in das System gelangen“, warnte Maurer. Er verwies darauf, dass zum Beispiel Menschen, die schon eine Ausbildung im Gesundheitswesen absolviert haben, über diesen Weg eher in die Versorgung gelangen, als wenn nur über die Abiturnote selektiert wird. Fest steht, dass über eine Quote nicht mehr Medizinstudienplätze entstehen. Je nach Quote verringern sich damit die Plätze für Bewerber, die sich nicht für eine ländliche Tätigkeit verpflichten. Und dafür gibt es gute Gründe, wie Kammerpräsident Prof. Henrik Herrmann zu Beginn klar machte. Einem 18-jähriger Abiturienten sollte man es nach seiner Überzeugung nicht zumuten, sich zu entscheiden, welche Fachrichtung er nach dem Studium einschlägt und wo er noch später – nach der Facharztweiterbildung mit dann ungefähr 30 Jahren – tätig sein wird. „Das sehe ich kritisch“, sagte Herrmann, der zu diesem Thema auch persönliche Erfahrungen beisteuern konnte. Er selbst wäre in jungen Jahren gerne Landarzt in Süddeutschland geworden, wurde dann aber Klinikarzt in Norddeutschland – so ändern sich Prioritäten im Laufe der Jahre zwischen 18 und 30.
Auch der Staatssekretär im neu zugeschnittenen Ministerium für Justiz und Gesundheit, Dr. Oliver Grundei, ist kein "Quoten-Anhänger". „Ich war immer skeptisch in Bezug auf die Landarztquote. Das kann man intelligenter angehen“, sagte Grundei bei der Veranstaltung in der Ärztekammer. Die breit gefächerte Diskussionsrunde zeigte einige der Wege, die Schleswig-Holstein bislang zur Stärkung der ländlichen Versorgung eingeschlagen hat:
- Stipendienprogramm: Medizinstudierende können über einen Zeitraum von zwei Jahren mit monatlich 500 € unterstützt werden, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen. Im Gegenzug arbeiten die Stipendiaten während ihrer Weiterbildung für einen begrenzten Zeitraum im ländlichen Raum. Hier setzt man auf einen „Klebeeffekt“: Wer die Versorgung im ländlichen Raum kennengelernt hat, entscheidet sich eher für eine dauerhafte Tätigkeit dort, als ohne diese Erfahrung. Außerdem werden die Stipendiaten über einen längeren Zeitraum engmaschig begleitet, sodass der Kontakt bestehen bleibt. Das vom Institut für Ärztliche Qualität in Schleswig-Holstein (IÄQSH, hier sind Ärztekammer, KV und Krankenhausgesellschaft Mitglied) getragene Stipendium erfreut sich allerdings nur begrenzter Beliebtheit. Nach Angaben von IÄQSH-Geschäftsführer Christian Götze wird die Zahl der Stipendien nicht ausgeschöpft. Zu den Gründen zählt auch, dass Studierende eher zum Leben in Städten tendieren und sich ungern festlegen.
- Lehrstühle für Allgemeinmedizin: Die beiden Lehrstühle für Allgemeinmedizin in Kiel und Lübeck gelten als starke Motoren für die hausärztliche und damit auch für die ländliche Versorgung. Die personelle Ausstattung in Kiel, dies machte Lehrstuhlinhaberin Prof. Hanna Kaduszkiewicz deutlich, müsste verbessert werden. Der Lübecker Lehrstuhlinhaber Prof. Jost Steinhäuser nannte als Pluspunkt das Kompetenzzentrum Weiterbildung Allgemeinmedizin, das im bundesweiten Vergleich eine führende Rolle einnimmt. Die Teilnehmerzahlen an den Seminaren sind die dritthöchsten in Deutschland – bezogen auf die Zahl der Studierenden die höchsten. Über diesen Weg gelingt es, die Weiterzubildenden an das Land zu binden und auch für die landärztliche Versorgung zu werben. Als weiteren Pluspunkt nannte Steinhäuser das Wiedereinsteigerprogramm, das Ärztinnen und Ärzte anspricht, die nicht mehr tätig sind oder aus Drittstaaten kommen. Als Lösungsweg nannte Steinhäuser das „Rural Remote Care“-Programm, bei dem Studierende eigene Erfahrungen mit der Tätigkeit eines ländlich praktizierenden Arztes sammeln.
- Mehr.Arzt.Leben: Die schon seit Jahren laufende Kampagne der KV Schleswig-Holstein zielt auf einen frühen Kontakt von Medizinstudierenden und Weiterzubildenden mit Landarztpraxen. “Wir setzen gezielte Anreize, sprechen den Nachwuchs frühzeitig an, zeigen den Weg in die Niederlassung und bleiben über Jahre in Kontakt“, erläuterte KV-Pressesprecher Marco Dethlefsen die Grundidee. Für das Programm wirbt die KV an den Universitäten in Kiel, Lübeck und Hamburg und fährt mit Interessierten in Praxen auf dem Land, wo die Inhaber ihnen von ihren Erfahrungen berichten. Daneben leistet die KV aber auch finanzielle Unterstützung für das Blockpraktikum, für das PJ und für Famulaturen, wenn diese außerhalb der Städte stattfinden.
- Die Ärztegenossenschaft Nord tritt als Betreiber von Ärztezentren auf und managt diese. In diesen Zentren arbeiten Ärzte angestellt und kommen häufig nur deshalb in die ambulante Versorgung. Laura Lüth, Geschäftsführerin der Genossenschaft, hält diesen Weg für geeignet, um die Vorteile auch einer Tätigkeit in Orten wie Silberstedt oder Büsum deutlich zu machen. Auf dem Land entdecken manche Ärzte die Möglichkeit, Praxis und Familie miteinander zu vereinbaren. Die Zentren ermöglichen außerdem die Teamarbeit und den Austausch mit anderen Gesundheitsberufen. Neben diesen Anstrengungen gibt es weitere Punkte, die für eine Niederlassung auf dem Land ausschlaggebend sein können – und wo auch Schleswig-Holstein noch optimieren könnte. Steinhäuser nannte zum Beispiel das Thema Praxismanagement, mit dem viele angehende Ärzte nicht vertraut sind und das vielen als Hürde gilt – Seminare könnten diese Hürden abbauen. Genannt wurde in der Diskussion aber auch die kommunale Infrastruktur. Viele Kommunen haben inzwischen erkannt, dass Ärzte nicht bereit sind in Orten zu praktizieren, wo keine sonstige Infrastruktur vorhanden ist. Wie Kreise und Kommunen sich stärker – außer über die Bereitstellung von Praxisflächen – engagieren könnten, konnte in der Runde noch nicht abschließend geklärt werden. Deutlich wurde aber, dass eine stärkere Einbeziehung hilfreich sein könnte. Und: Bürgermeister sollten sich früher kümmern, nicht erst kurz vor Aufgabe einer Praxis.
Text: Dirk Schnack