Prof. Stephan Timm: Chirurgen bringen sich ein
Über Leistungsgruppen, Mindestmengen und Zertifikate wurde in den vergangenen Monaten viel und oft kontrovers diskutiert. Auch über die Leistungsgruppen aus Nordrhein-Westfalen. Was aber bedeutet das konkret für die Akteure in den Ländern, wie können und müssen sich die Krankenhäuser darauf einstellen? Diese Frage treibt nicht nur die Geschäftsführer in den Kliniken, sondern auch die leitenden Ärztinnen und Ärzte um.
Der Konvent Leitender Krankenhauschirurginnen und -chirurgen (KLK) sucht mit seinem neuen Präsidenten Prof. Stephan Timm dazu den Austausch auf Bundes- und Landesebene. Für den Ärztlichen Direktor und Chefarzt des katholischen Malteser St. Franziskus-Hospitals in Flensburg steht fest, dass die Auswirkungen der Reform den Willen zum Austausch unter den Akteuren und zur Zusammenarbeit erfordert.
Eine Folge für sein Fachgebiet werden aus seiner Sicht regionale Versorgungsverbünde sein. Sonst, befürchtet Timm, werden einzelne Leistungen in vielen Flächenländern in absehbarer Zeit gar nicht mehr angeboten. Als Flensburger hat er auf lokaler Ebene einen solchen Verbund bereits begleitet: Bei der Leistungsabstimmung mit dem benachbarten evangelischen Diako Krankenhaus. Dies war aufgrund der unterschiedlichen kirchlichen Träger ein Novum und sorgte bundesweit für Aufsehen. Künftig wird diese Zusammenarbeit noch enger, wenn beide Träger wie vereinbart ihre Leistungen gemeinsam in einem Flensburger Zentralkrankenhaus bündeln.
Das allein aber wird für eine angemessene Versorgung der Bevölkerung in der Grenzregion mit allen stationären Leistungen nicht ausreichen, meint Timm. „Für einzelne Leistungen brauchen wir regionale Versorgungsverbünde“, steht für ihn fest. Er kann sich etwa einen Verbund des Hauses in Flensburg mit den Krankenhäusern in Schleswig und Husum vorstellen – damit würden Krankenhäuser aus privater (Helios in Schleswig), kommunaler (Kreis Nordfriesland in Husum) und kirchlicher (Flensburg) Trägerschaft zu einer Zusammenarbeit finden.
Warum das aus seiner Sicht erforderlich wird, erläutert Timm am Beispiel der Mindestmengenregelung: Bei der chirurgischen Behandlung von Lungenkrebs müssen ab dem kommenden Jahr 75 anatomische Resektionen pro Jahr und Standort erbracht werden. Flensburg allein kommt nur auf 60, die anderen Standorte der Region auf deutlich weniger. „Wenn wir diese Leistung in der Region halten wollen, müssen wir kooperieren“, steht für Timm fest.
Ein Verzicht in der Region hätte nicht nur längere Wege für die Patienten im nördlichen Schleswig-Holstein zur Folge, sondern würde auch die wenigen verbleibenden Standorte, die diesen Eingriff vornehmen dürften, aus seiner Sicht überlasten. Wie die Zusammenarbeit im Detail aussehen könnte, steht noch nicht fest. Timm ist aber zuversichtlich, dass sich die Akteure vor Ort verständigen werden. Dafür müsse die bundesweite Gesundheitspolitik den Akteuren allerdings auch die erforderlichen regionalen Gestaltungsspielräume einräumen. Eine weitere Voraussetzung, die bislang noch nicht gegeben war: „Wir müssen die exakten Rahmenbedingungen kennen.“
Für solche Forderungen will der Konvent künftig stärker in der Öffentlichkeit eintreten und auch über den eigenen Fachkreis hinaus den Austausch suchen. Dass der wachsende Verbund aus inzwischen über 800 leitenden Krankenhauschirurginnen und -chirurgen – außerhalb von Unikliniken – medial bislang kaum wahrgenommen wurde, führt Timm auch auf die starken Fachverbände BDC und DGCH zurück. Timm kann sich für politische Forderungen auch ein gemeinsames Auftreten der drei chirurgischen Verbände vorstellen: „Es kommen gesundheitspolitisch so starke Umwälzungen auf uns zu, dass eine engere Abstimmung der Verbände zur Stärkung der chirurgischen Stimme sinnvoll erscheint.“
Über diese Umwälzungen will der KLK mit seinen Mitgliedern und Gästen auf der Jahrestagung am 10. und 11. Januar 2025 in der Handelskammer Hamburg sprechen. Gäste aus der Gesundheitspolitik – auch aus Schleswig-Holstein – werden dabei sein.
Dirk Schnack