Hadia heute

Hilfe für kranke Kinder in Pakistan

Cousin Marriage – die Heirat zwischen Cousin und Cousine ersten Grades – ist in Pakistan weit verbreitet. Erbkrankheiten und Behinderungen gehen damit einher, viele Menschen sind von gesundheitlichen Einschränkungen betroffen. Das Elternpaar Afzal Raool und Aniqa Bano aus der im Norden Pakistans gelegenen Region Skardu bemerkten zeitnah nach der Geburt ihres ersten Kindes, dass dieses nicht hören kann und ließen sich daraufhin in Gebärdensprache ausbilden. Schon bald war jedoch klar: nicht nur ihre Tochter ist betroffen, zahlreiche weitere Kinder in ihrer Heimat Baltistan leiden unter erblich bedingten Hörbeeinträchtigungen, ein normales Leben in der Mitte der Gesellschaft oder gar eine schulische Ausbildung ist nicht möglich. Im Jahr 2013 eröffnete das Ehepaar daraufhin in ihrem eigenen kleinen Haus die erste Schule für Gebärdensprache.  In einem gemieteten Schulgebäude werden heute 86 Kinder unterrichtet. 

Bereits ein Jahr vor der Eröffnung der Schule im Jahr 2012 trafen Afzal Raool und Aniqa Bano auf Hans Joachim Gerber, der in Pakistan einen Vortrag hielt und baten ihn, ihre Idee zu unterstützen. Zurück in Bordesholm fragte Gerber damals Akustiker Michael Eggers nach Unterstützung. Dieser spendete kurzerhand zehn Hörgeräte, war aber über die anschließende Nutzungsweise in Pakistan erschrocken und beschloss, gemeinsam mit Gerber nach Pakistan zu fliegen und direkt vor Ort zu helfen. Die Idee des FREE EAR CAMP entstand und Gerber rekrutierte ein Team aus Hals-Nasen-Ohren-Ärzten, Akustikern und Hörgeschädigtenpädagogen und führte im Jahr 2015 das erste FREE EAR CAMP mit dem Partnerkrankenhaus Hashim Welfare Hospital vor Ort durch. „Die Camp Locals sagten uns, dass es vielleicht 30 bis 40 Kinder werden, die zur Untersuchung kommen. Am Ende waren es ca. 800 Menschen“ so Gerber. Die Arbeit zeigte Erfolg und sprach sich über die Grenzen Pakistans hinaus herum. Mittlerweile konnte in insgesamt sechs FREE EAR CAMPS ca. 500 Kindern geholfen werden. Die Camps dauern immer zwischen 10 und 14 Tage, an denen Kinder untersucht werden, Hörgeräte angepasst oder, sofern bereits welche vorhanden sind, richtig eingestellt werden. Gerber berichtet als Musterbeispiel von dem kleinen Mädchen Hadia. „Hadia kam 2016 als kleines, ängstliches Mädchen zu uns. Sie konnte nicht hören und wir versorgten sie mit Hörgeräten. Heute sitzt ein selbstbewusstes, fröhliches Mädchen vor uns, welches eine Regelschule besuchen kann“ so Gerber. 

Dieser Behandlungserfolg lässt sich auch bei den Kindern in der Schule von Afzal und Aniqa beobachten: Nach einem Besuch von Gerbers Team wurde festgestellt, dass ca. 1/3 aller Kinder eine Resthörfähigkeit hatten und nach der Ausstattung mit Hörgeräten eine Regelschule besuchen könnten. Um diese Chance für die Kinder nutzen zu können, erarbeitete der Verein im Jahr 2022 ein Konzept für die Audiology Skardu und legte dieses der Deutschen Botschaft Islamabad vor. Bereits im Herbst 2023 konnte die Audiology Skardu eingerichtet werden – zu 85 % finanziert von der Deutschen Botschaft Islamabad und zu 15 % durch den Verein. Der Ablauf  in der Audiology umfasst die Untersuchung durch einen HNO-Arzt, der die Voraussetzung für das Sirenen schafft, das Abdrucknehmen und das Ausarbeiten der Ohrpassstücke, zuletzt das Programmieren und das Anpassen der Hörgeräte.
Der Name des Vereins ist jedoch Programm: Hilfe zur Selbsthilfe. Nach nunmehr sechs Camps sollen die Mitarbeiter im Hashim Welfare Hospital und auch in der neu entstandenen Audiology Skardu die kommenden Untersuchungen allein durchführen können und den Patienten somit bestmöglich selber helfen. „Die Hörgeräte werden aber weiterhin aus Deutschland gespendet“ so Gerber. Denn die Technik ist für die in Pakistan lebenden Menschen nahezu unbezahlbar, die Kosten belaufen sich für ein Hörgerät auf ein durchschnittliches Jahresgehalt eines Arbeiters. Auch für weitere Aus- und Fortbildungen werden die Teams des Vereins wieder zu Besuch kommen. So wurde das Team zuletzt durch Dr. Annegret Krenz-Weinreich, Fachärztin für Laboratoriumsmedizin und für Mikrobiologie, Infektionsepidemiologie und Virologie, ergänzt. Krenz-Weinreich begutachtete im Hashim Welfare Hospital die hygienischen Begebenheiten vor Ort, gab Handlungsempfehlungen und zeigte den Angestellten vor Ort, wie sie hygienischer arbeiten können. „Das wichtigste Thema ist hier: Bewusstsein schaffen“ so Gerber. Viele Risiken seien unbekannt und die Konsequenzen nicht ausreichend bewusst. Wichtig dabei ist Gerber und seinem Team die Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort. Gerber ist sich sicher: „Nur wenn wir die Themen auf Augenhöhe gemeinsam erarbeiten, leisten wir Hilfe zur Selbsthilfe. Schlichtes Diktieren ohne das richtige Verständnis für die Handlung bringt niemandem etwas“. Im Juni startet das Team in der Nargis Khatoon School for Deaf in Skardu ein erstes FREE EAR CAMP.           
Astrid Schock

Der Verein

Der Verein „Pakistan-Hilfe zur Selbsthilfe e.V.“ wurde 2015 von Hans Joachim Gerber gegründet. Gerber kannte das Land durch eine befreundete Familie und zahlreiche Reisen in dieses. Nachdem Pakistan 2015 von einem schweren Erdbeben und nur fünf Jahre später von einer Jahrhundertflut heimgesucht wurde, sammelte Gerber Spendengelder und fungierte für die pakistanische Botschaft in Berlin als Koordinator, um bspw. der Aktion Deutschland hilft gesicherte Informationen über die aktuelle Lage in Pakistan zukommen zu lassen. Heute zählt der Verein 32 Mitglieder und führte in insgesamt 18 Reisen nach Pakistan 56 Hilfsprojekte durch. Neben den FREE EAR CAMPS und dem kürzlich gestarteten HOSPITAL HYGIENE PROGRAM engagiert sich der Verein in bei der Gesundheitsfürsorge auch für zahnmedizinische Versorgung, darüberhinaus in den Bereichen Katastrophenhilfe, Bildung und Infrastruktur.. Das Ziel des Vereins ist immer, die Menschen vor Ort so weit auszubilden, dass sie eigenständiges Handeln erlernen und nicht auf dauerhafte Hilfe angewiesen sind.Finanziert wird der Verein durch Spenden.
Wenn Sie auch Interesse an einer Mitarbeit haben oder spenden möchten, freut sich Hans Joachim Gerber und sein Team auf Ihre Kontaktaufnahme unter: verein@pakistan-hilfe@gmx.de oder mobil 0176 20900277.