Kliniken in Not
Diako und imland im Insolvenzverfahren, Marien-Krankenhaus vor der Übernahme, Brandbrief aus Nordfriesland – die Entwicklungen der vergangenen Wochen in der Krankenhauslandschaft in Schleswig-Holstein zeigen, wie ernst die Lage für viele Kliniken derzeit ist. Das Land erhöht die Investitionsmittel, erntet aber Kritik aus der Opposition. Alle warten auf die Finanzierungsreform auf Bundesebene.
Die wirtschaftlichen Probleme der Krankenhäuser offenbarten sich zum Jahreswechsel in kaum einem Bundesland so stark wie in Schleswig-Holstein. Die Flensburger Diako und die imland Kliniken im Kreis Rendsburg-Eckernförde gingen schon vor Weihnachten ins Insolvenzverfahren. Im Januar gab das Erzbistum Hamburg bekannt, dass es seine Anteile am Lübecker Marien-Krankenhaus aus wirtschaftlichen Gründen auf das UKSH übertragen möchte. Als Folge wurde von beiden Trägern ein Umzug auf das Lübecker UKSH-Gelände angekündigt, der schon zur Jahresmitte vollzogen werden sollte. Mitarbeitende, Patienten und 40 Belegärzte, die in dem Traditionshaus in der Lübecker Innenstadt operieren, reagierten mit Protest.
Auch in Nordfriesland sind die Menschen beunruhigt. In einem Offenen Brief an Bundes-, Landes- und Kommunalpolitiker schrieben Verantwortliche des Kreises und des dortigen Klinikums von einer „katastrophalen Situation im deutschen Gesundheitswesen“ und forderten die Politik auf: „Wenden Sie den Bankrott des Gesundheitswesens ab – es eilt.“ Von der Politik erwarten sie Solidarität mit den Bürgern vor Ort und unverzügliche Hilfe.
Unterzeichnet haben den Brief Kreispräsident Manfred Uekermann, Landrat Florian Lorenzen und Klinikgeschäftsführer Stephan Unger. Sie beschreiben besorgniserregende Bedingungen, unter denen auch das kreiseigene Klinikum mit Standorten in Husum und Niebüll arbeiten müsse. Das Haus wird vom Kreis mit mehreren Millionen Euro im Jahr unterstützt. Viele Mitarbeitende seien ausgebrannt und verlassen deshalb frustriert das Krankenhaus. „Die Krankenstände steigen unentwegt. Die Personalnot ist immens“, heißt es im Brief. Von der Politik in Berlin wurde sofortiges Handeln gefordert, um ein flächendeckendes Sterben von Krankenhäusern noch zu verhindern: „Für eine langwierige Diskussion und langsames parlamentarisches Verfahren haben wir – gerade in unserem ländlichen Raum – keine Zeit mehr.“
Das Land kündigte am 25. Januar an, den Krankenhäusern in diesem Jahr 110 Millionen Euro für Krankenhausinvestitionen zur Verfügung zu stellen. In den Folgejahren soll über einen Zeitraum von zehn Jahren jährlich um zwei Millionen Euro aufgestockt werden, um dem Investitionsstau entgegenzuwirken. Kreise und kreisfreie Städte müssten noch einmal die gleiche Summe aufbringen, sodass für 2023 insgesamt 220 Millionen Euro abgerufen werden könnten. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sprach von einem „Kraftakt“. Ob der reicht, den Investitionsstau in den Häusern abzubauen? FDP-Gesundheitspolitiker Dr. rer. pol. Heiner Garg hat Zweifel. Er hält die jetzt bereitgestellten Mittel nur für einen „Tropfen auf den heißen Stein“.
Wie ernst die Lage der Kliniken ist, bestätigt auch der Vorstandsvorsitzende des 6K-Verbundes, Dr. Martin Blümke. „Die Krankenhäuser in Schleswig-Holstein und in Deutschland stehen vor enormen Herausforderungen. Steigende Kosten in allen Bereichen und ein sich massiv zuspitzender Fachkräftemangel fordern uns heraus. Viele Kliniken sind in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Die Politik ist gefordert, Lösungen zu finden“, sagte Blümke auf Anfrage des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblattes. Der 6K-Verbund sei bereit, Verantwortung zu übernehmen und an der Gestaltung einer zukunftsorientierten Gesundheitsversorgung in Schleswig-Holstein mitzuarbeiten. „Wenn es uns gelingt, Bürokratie abzubauen, die Finanzierung der Kliniken zu sichern und gleichzeitig die Strukturen in den Regionen gut zu ordnen, können wir für die Menschen hier im Land auch künftig eine qualitativ hochwertige, bei guter Planung sogar bessere Versorgung anbieten. Eine entscheidende Rolle kommt dabei der Kommunikation zu, um die Bevölkerung bei diesem Prozess mitzunehmen“, betonte Blümke.
Stichwort Kommunikation: Die scheint bislang den Regio Kliniken im Kreis Pinneberg zu gelingen. Von Landesgesundheitsministerin Prof. Kerstin von der Decken wurden die Regio-Pläne, die Standorte Pinneberg und Elmshorn zusammenzulegen, ausdrücklich gelobt. Bislang ist in dem Kreis auch noch keine so laute Kritik an den Plänen zu hören, wie etwa in Lübeck und im Kreis Rendsburg-Eckernförde. Wie es dort weitergeht, stand bis Redaktionsschluss nicht fest. Für viele überraschend kam ein Angebot aus der Landeshauptstadt zur Fusion des Städtischen Krankenhauses Kiel und imland. In der Kommunalpolitik dieser Regionen wurde dieses Angebot überwiegend positiv bewertet. Welche Folgen das konkret haben wird und wie der neue Träger die schwierige Situation bei imland lösen könnte, blieb bis Redaktionsschluss aber offen – genauso wie die Frage, welche weiteren Angebote für imland vorliegen. Eine Kreistagssitzung zu diesem Thema im Januar wurde nach dem Kieler Angebot kurzfristig verschoben.
Zahlreiche Gespräche wurden in Lübeck geführt. Die Belegärzte waren sich einig, dass die geplante kurzfristige Verlegung auf den UKSH-Campus keine gute Lösung ist. Anästhesist Michael Schneider, Ärztlicher Direktor des Marien-Krankenhauses, kündigte deshalb bei einer Demonstration am 21. Januar mit 850 Menschen an, „laut und unbequem“ für den Erhalt des Standortes „Parade“ einzutreten. „Wir sind hier und wir bleiben hier“, sagte Schneider unter viel Applaus. Unterstützung erhielt er auch aus dem niedergelassenen Sektor. U. a. waren Lübecks neuer KV-Kreisstellenleiter Dr. Christian Butt und sein Vorgänger Dr. Andreas Bobrowski unter den Demonstranten.
Das Problem für das Marien-Krankenhaus: Für ausscheidende Frauenärzte in der Geburtshilfe konnten bislang keine Nachfolger gefunden werden, was laut gemeinsamer Mitteilung des Trägers, des UKSH, des Gesundheitsministeriums und der Stadt die Versorgung von 1.400 Geburten in Lübeck gefährdet. Gleichzeitig sei aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung ein Betrieb auf Dauer nicht zu gewährleisten.
Zumindest kurzfristig könnte das Nachfolgerproblem überbrückt werden, weil nach Angaben aus dem Kreis der Protestinitiatoren Gynäkologen, die noch keinen Nachfolger haben, vorerst weitermachen wollen. Die oben genannten Beteiligten zeigten sich offen für gemeinsame Lösungen, die Belegärzte sind ebenfalls gesprächsbereit.
Wann allerdings die von allen für dringend erforderlich angesehene Reform der Klinikfinanzierung auf Bundesebene kommt, blieb bis Redaktionsschluss offen.
Dirk Schnack