Proteste in Praxen
Ärztegenossenschaft Nord, Berufsverbände und Praxisnetze aus Schleswig-Holstein machen jeden zweiten Mittwoch im Monat mit einer Aktion auf die Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen aufmerksam. Im Januar standen die MFA im Mittelpunkt.
Arztpraxen ohne MFA: Unvorstellbar? Was ambulante Versorgung ohne diese Berufsgruppe bedeutet, konnten Patienten in Schleswig-Holstein am 11. Januar kurz erleben. An diesem Tag setzten die Ärztegenossenschaft Nord, Berufsverbände und Praxisnetze ihre im Dezember gestartete Protestaktion fort. Im Januar stand der Protest unter dem Motto „Wenn in den Praxen das Licht ausgeht.“
Mit im Boot war der Verband medizinischer Fachberufe. Deren Präsidentin Hannelore König betonte in einem Pressegespräch, dass MFA insbesondere Wertschätzung und eine bessere Bezahlung vermissen. „Man stößt uns immer wieder vor den Kopf“, sagte König mit Verweis auf die verweigerte Corona-Sonderzahlung. Sie forderte, die Arztpraxen durch bessere Rahmenbedingungen in die Lage zu versetzen, ihren Angestellten attraktivere Arbeitsbedingungen zu bieten. In Schleswig-Holstein sieht sie auch die Landesregierung gefordert. „Wenn eine flächendeckende Versorgung gewollt ist, muss auch das Land Geld in die Hand nehmen“, sagte König. Mit zusätzlichen Mitteln könnten Praxen zum Beispiel Förderung und Weiterqualifizierung ihrer Angestellten unterstützen.
Landesweit arbeiteten 2021 rund 15.000 MFA, von denen 51 % in Teilzeit beschäftigt sind, in den Praxen. Wie viele offene Stellen es derzeit gibt, ist nicht bekannt. Dr. Svante Gehring, Vorstandsvorsitzender der Genossenschaft, nannte Zahlen aus einer Umfrage seiner Organisation: Danach gaben 46 % der teilnehmenden Praxisinhaber an, nicht über genügend Personal in der Praxis zu verfügen. 51 % hatten angegeben, dass sie wegen fehlender MFA bereits Leistungen einschränken. Gehring zog daraus die Schlussfolgerung: „Der Notstand ist schon da.“
Sein Stellvertreter Dr. Axel Schroeder nimmt wahr, dass viele seiner Kollegen wegen der schwierigen Rahmenbedingungen resignieren. Er macht dies unter anderem an eingeschränkten Öffnungszeiten oder an der fehlenden Bereitschaft, noch neue Patienten aufzunehmen, fest. Von der Teilnahme an der Protestaktion erhofft er sich ein Signal, das deutlich macht: „Dann geht gar nichts mehr.“
Trotz des schwierigen Umfelds spricht aus Sicht Königs immer noch viel dafür, den Beruf MFA zu wählen. „Ich würde den Beruf auch heute noch empfehlen“, stellte
sie klar. Insbesondere die Interaktionen mit Menschen und die oft Jahrzehnte währende Begleitung von Patienten, aber auch eine gute Work-Life-Balance und viele Teilzeitmodelle sprechen aus ihrer Sicht für den noch immer beliebtesten Ausbildungsberuf unter jungen Frauen. Nur: Viele wenden sich nach einigen Jahren anderen Tätigkeitsfeldern zu. Gehring beobachtet unter anderem eine Abwanderung in die Krankenhäuser, die so vakante Pflegestellen besetzen.
Die Resonanz auf die Aktion war groß, zumindest in den Medien und in der Politik. Landesgesundheitsministerin Prof. Kerstin von der Decken (CDU) hatte Verständnis für die Proteste gezeigt und signalisiert, das Problem auf Bundesebene anzusprechen. FDP-Gesundheitsexperte Dr. Heiner Garg sprach von einem „Weckruf der Ärztinnen und Ärzte“, den er für verständlich und richtig hält. Birte Pauls (SPD) forderte die Landesregierung auf, aktiv für verbesserte Arbeitsbedingungen einzutreten. Sie sagte aber auch: „Wir Patientinnen und Patienten müssen uns fragen, ob wir dem Personal immer mit dem nötigen Respekt und Geduld begegnen, den sie verdienen und ob es wirklich notwendig ist, mit jedem Wehwehchen gleich in eine Praxis zu laufen.“
Am 8. Februar, nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe, ging es bei den Protesten um die Folgen unzureichender Finanzierung, begrenzter Sprechstundenzeiten und Deckelung der Leistungen.
Dirk Schnack
Podcast des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblattes: Staffel 4 #2 - Praxen im Protest
Arztpraxen mal ohne Licht, mal ohne MFA – an kreativen Protestformen fehlt es in Schleswig-Holstein nicht. Was die Initiatoren antreibt und was sie erreichen wollen, erläutert Dr. Svante Gehring von der Ärztegenossenschaft Nord im Podcast des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblattes.