„Den Zusammenschluss als Chance begreifen“
„Regio 2030 – zusammen wachsen“: Unter diesem Slogan werben die Regio Kliniken für einen zentralen Klinikneubau an einem bislang nicht festgelegten Standort. Anders als bei solchen Konzentrationsprozessen üblich, ist die Stimmung in der Region eher aufgeschlossen. Über die Gründe dafür sprachen wir mit dem Ärztlichen Direktor Prof. Max Nedelmann. Das Interview führte Dirk Schnack.
Prof. Nedelmann, es ist noch nicht lange her, da boten die Regio Kliniken stationäre Versorgung im Kreis Pinneberg an drei Standorten im Kreis an: In Elmshorn, Pinneberg und Wedel. Wedel ist geschlossen, nun sollen die beiden verbliebenen Standorte zu einem verschmolzen werden. Warum?
Prof. Max Nedelmann: Dafür gibt es verschiedene Argumente. Zum inzwischen geschlossenen Standort Wedel muss man vorweg sagen, dass er aufgrund seiner geringen Größe und der baulichen Voraussetzungen nicht mehr wie ein modernes Krankenhaus zu führen war. Personal war für den Standort immer schwerer zu gewinnen und ökonomisch war der Betrieb dort auch nicht. Als die Entscheidung fiel, auf Wedel zu verzichten, war allerdings noch gar nicht angedacht, die beiden verbliebenen Standorten in Elmshorn und Pinneberg zu einem zu verschmelzen. Diese Überlegung kam erst später auf, als umfangreiche Investitionen anstanden. Die Geschäftsleitung und wir ärztlichen Direktoren (Anmerkung der Redaktion: Neben Nedelmann gehört auch PD Dr. Hamid Mofid zum Ärztlichen Direktorium) haben dieses Thema erstmals im Frühjahr 2021 ergebnisoffen besprochen. Wir haben uns darüber unterhalten, wie wir uns zukunftssicher aufstellen können und was passieren muss, damit wir auch in zehn Jahren noch unter möglichst guten Bedingungen hochwertige stationäre Versorgung anbieten können. Wir haben uns dann extrem früh entschlossen, den Prozess öffentlich zu machen, um von Beginn alle – insbesondere die Mitarbeitenden in den beiden Häusern – einzubinden und gar nicht erst das Gefühl aufkommen zu lassen, dass wir vollendete Tatsachen geschaffen haben. Unser Ziel war stets, dass weiterhin alle Beschäftigten von „ihrem Krankenhaus“ sprechen werden – das ist uns extrem wichtig.
Was haben denn die Beschäftigten davon, wenn die Standorte Elmshorn und Pinneberg zu einem Standort verschmelzen?
Nedelmann: In erster Linie wollen wir alle, dass die medizinische Versorgung in unserem Kreis qualitativ hochwertig bleibt. Wir sind der Meinung, dass wir dazu mit einem hochmodernen Haus, mit einem zentralen Klinikneubau nach unseren Vorstellungen – den die Mitarbeitenden wesentlich mitbestimmen – erheblich beitragen. Ich sehe in einem modernen Zentralkrankenhaus bessere Bedingungen, um hochwertige Versorgung leisten zu können, als in zwei Häusern, deren Bausubstanz jetzt hohe Investitionen erfordern.
Für die Mitarbeitenden gibt es aber weitere gute Gründe. Zum einen müsste niemand mehr – wie es zurzeit für viele von uns Alltag ist – zwischen den beiden Standorten pendeln. Damit ginge endlich weniger wertvolle Zeit auf der Straße verloren. Ich sehe aber auch viel bessere Chancen, für die Arbeit in einem neuen Zentralklinikum neue Mitarbeitende zu gewinnen. Der Fachkräftemangel ist eine der größten Herausforderungen für jedes Krankenhaus. Wenn wir uns mit einem neuen Klinikum besser aufstellen, sind wir attraktiver für neue Beschäftigte.
Neben den Beschäftigten und der Öffentlichkeit müssen sie auch die Politik überzeugen. Wie hat die reagiert?
Nedelmann: Zu Beginn waren die öffentlich geführten Diskussionen sehr kontrovers. Wir konnten jedoch binnen weniger Monate mittels vielfältiger Informations- und Gesprächsangebote die Politik und weitere Stakeholder von der Notwendigkeit eines zentralen Neubaus überzeugen.
Viele Menschen sehen in der Zentralisierung Nachteile. Sie befürchten, dass die medizinische Versorgung in der Fläche immer stärker ausgedünnt wird und sie immer weiter fahren müssen.
Nedelmann: Eben weil diese Befürchtungen schnell aufkommen, haben wir von Beginn an alles transparent gemacht. Uns war es wichtig, mittels vielfältiger Maßnahmen zu vermitteln, dass alle davon profitieren, wenn die Bedingungen für eine hochwertige Versorgung vorhanden sind. Uns ist klar, dass der Weg zum Krankenhaus unter Umständen für manche länger werden könnte. In der Abwägung gegen eine hochwertige Versorgung halte ich das persönlich aber für vertretbar, wenn sich die Anfahrtswege in vernünftigen Bahnen bewegen. Wir bleiben ja an zentraler Stelle im Kreis. Wir versuchen mit unserer Öffentlichkeitsarbeit auch deutlich zu machen, dass die Notfallmedizin ja nicht erst im Krankenhaus im Krankenhaus, sondern vor Ort und im Rettungswagen beginnt. Das kann vielleicht dazu beitragen, dass der Fokus nicht immer nur auf dem Anfahrtsweg liegt.
Sie haben die Öffentlichkeit umfangreich informiert, haben sogar in der Fußgängerzone gestanden, um die Pläne publik zu machen. Wie waren die Reaktionen?
Nedelmann: Teils war gerade zu Beginn die Kritik heftig, die meisten Gespräche verliefen aber konstruktiv. Bewegend war zum Teil, wie viele Menschen bei uns eine ganz enge Bindung an einen der beiden Standorte haben. Es gibt Menschen im Kreis, die sind in einem unserer Häuser geboren, ihre Kinder sind dort geboren und ihre Eltern in diesem Haus bis zum Tod versorgt worden – natürlich schafft das eine Identifikation. Mit der Aufgabe eines solchen Standortes geht eine Bindung verloren. Außerdem war häufig die Sorge zu spüren, dass sich die Anfahrtswege verlängern, dass eventuell Mitarbeitende eingespart werden sollen und dass an der Grundversorgung gespart wird. Die Sorgen zu den beiden letzten Punkten konnte man vielen Menschen nehmen. Zum Anfahrtsweg ist das schwieriger.
Welcher Standort es werden soll, ist ja noch längst nicht entschieden. Wonach wird der ausgesucht?
Nedelmann: Er muss natürlich so liegen, dass ihn möglichst viele Menschen gut und schnell erreichen können. Er muss also gut angebunden sein, also in der Nähe der Autobahn.
Das gilt für Elmshorn und Pinneberg ja gleichermaßen. In beiden Städten läuft ja schon das Werben, damit das Krankenhaus bleibt. Wer hat die besseren Chancen?
Nedelmann: Das weiß ich nicht. Der Prozess ist ja am Beginn, die Kriterien für die Standortfrage werden noch erarbeitet. Es ist ja nicht einmal gesagt, ob es nicht ein ganz anderer Standort wird. Diese Entscheidung fällt erst im nächsten Jahr.
Und was wäre Ihre persönliche Präferenz?
Nedelmann: Ich wünsche mir den Standort, der am besten erreichbar ist.
Immer wieder wird in Zusammenhang mit Umstrukturierungen in der Kliniklandschaft der Ruf nach einer Rekommunalisierung laut. Würde das etwas an den Plänen der Regio Kliniken ändern?
Nedelmann: Diese Diskussion kann man natürlich führen, aber man muss bedenken, dass eine geänderte Trägerschaft nichts daran ändert, weshalb wir den zentralen Klinikneubau anstreben. Die Rahmenbedingungen bleiben die gleichen und die Kommunalpolitik unterstützt unsere Pläne.
Brauchen Sie bei einem Zentralklinikum im Kreis noch genauso viele Ärzte wie jetzt an zwei Krankenhäusern oder würden sie mit weniger auskommen?
Nedelmann: Die Frage kann ich zum jetzigen Zeitpunkt schwer beantworten. Ich glaube aber, dass wir Ärzte und Ärztinnen in gleicher Größenordnung wie heute haben werden, die aber etwas entspannter arbeiten können, weil sie nicht mehr zwischen den Standorten pendeln müssen. Das kommt den Patienten zugute.
Vielen Dank für das Gespräch