
Gynäkologie
Im Landesverband der Frauenärzte hat Susanne Bechert vor kurzem Doris Scharrel abgelöst. Am Rande der Jahrestagung in Rendsburg stellten sich beide den Fragen von Esther Geißlinger.
Frau Scharrel, im Februar fand der 27. Gynäkologentag Schleswig-Holstein statt. Sie hatten zwar die wissenschaftliche Leitung inne, aber standen zum ersten Mal seit zwölf Jahren nicht mehr als Verbandsvorsitzende auf dem Podium. Waren Sie erleichtert oder fiel es schwer?
Doris Scharrel: Im Grunde genommen war es nicht viel anders als sonst. Stimmt, den Bericht zur Lage des Verbandes habe ich diesmal nicht gehalten, das ist Sache von Frau Bechert als neue Vorsitzende, aber die Vorbereitungen waren identisch, von der Auswahl der Referenten über das Catering bis zum Aufbau. Während der Veranstaltung war ich froh, dass ich an meinem Platz sitzen bleiben konnte – aber die Augen und Ohren muss man als Kongressleitung trotzdem überall haben.
Sie haben zum Jahreswechsel Ihren Posten als Landesvorsitzende des Berufsverbandes der Frauenärzte (BVF) abgegeben. War es schwierig, die Nachfolge zu regeln?
Scharrel: Dr. Bettina Schultz, die ursprünglich als meine Nachfolgerin vorgesehen war, ist zur Vorstandsvorsitzenden der KVSH gewählt worden, stand also nicht mehr zur Verfügung. Daher haben wir uns erneut umgeschaut und dann innerhalb eines Jahres eine gute Lösung gefunden.
Frau Bechert, Sie sind diese gute Lösung – im November wurden Sie zur Landesvorsitzenden gewählt, zum Jahreswechsel haben Sie das Amt übernommen. Musste Frau Scharrel Sie lange überreden, und welches Argument hat am Ende gefruchtet?
Susanne Bechert: Es stimmt, es wird immer schwerer, Ehrenamtliche für solche Posten zu finden. Am Anfang habe ich gezögert, weil es eine sehr umfassende Aufgabe ist, vor allem wenn man, wie Frau Scharrel, in so vielen Gremien mitwirkt und überall präsent ist. Begünstigend war ein Wechsel meiner Lebens- und Arbeitsumstände: Bis vor kurzem war ich in eigener Praxis selbstständig, inzwischen bin ich in Teilzeit angestellt. Das hat es mir ermöglicht darüber nachzudenken, diese Aufgabe zu übernehmen.
Podcast des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblattes
Staffel 6 - Folge 4
Frauenärztin Susanne Bechert: Die neue Vorsitzende im Landesverband
Doris Scharrel hat den Landesverband der Frauenärztinnen und Frauenärzte in Schleswig-Holstein lange Zeit geprägt. Jetzt hat der Verband eine neue Vorsitzende: Susanne Bechert, angestellte Gynäkologin in einer Kieler Praxis. Wer sie ist, weshalb sie sich engagiert und welche Ziele sie sich gesetzt hat, berichtet sie in einer Kurzvorstellung im Podcast.
Und wie sind die ersten Eindrücke im Amt?
Bechert: Es öffnet sich eine neue Welt! Es gibt viele Aufgaben, aber es ist spannend, ich lerne Leute kennen und mache Erfahrungen. Verbandsarbeit in dieser Form ist neu für mich, aber ich bringe Erfahrungen aus dem Qualitätszirkel mit und war ja auch schon im Beirat, kenne daher schon viele Themen. Ich fuchse mich langsam ein.
Frau Scharrel, Ihre Amtszeit begann 2012, ein Jahr, das geprägt war vom Arabischen Frühling, der Eurokrise und der Aufdeckung der rechten Terrorgruppe NSU. Welche politischen und fachlichen Themen standen damals beim Berufsverband der Frauenärzte an?
Scharrel: Die oberste Regel lautet, dass es ständig etwas Neues gibt, weil wir uns kontinuierlich mit neuen Auflagen und Gesetzen befassen müssen. Auf der Ebene des Bundes-BVF, wo ich lange im Vorstand mitgearbeitet habe, weitet sich das Spektrum noch mehr, und die Aufgabe ist dann, die Themen auf die Landesebene zu transportieren. Eine Daueraufgabe ist, uns gegenüber der Bevölkerung und der Politik sichtbar zu machen. Frauenärzte haben keine Lobby, anders als die Hebammen. Wir sind immer die Bösen, die nie Zeit haben – gegen dieses Bild muss man anarbeiten, indem man sich vernetzt, mit den Kassen, der Kammer, der KV. Ich habe es als meine Aufgabe gesehen, den Verband in viele Ebenen einzubinden. Wir haben heute den Stand erreicht, dass wir wertgeschätzt und um unsere Meinung gefragt waren.
Frau Bechert, wollen Sie diesen Weg weitergehen?
Bechert: Diese heute bestehenden Kontakte und Vernetzungen bieten sehr gute Voraussetzungen, ich möchte diese Möglichkeiten auf jeden Fall nutzen. Allerdings werde ich manchmal priorisieren müssen, damit der Beruf nicht zu kurz kommt. Es muss aber auch nicht alles an meiner Person hängen. Ich werde Dinge delegieren, zum Beispiel an meine Stellvertreterin Dr. Christine Mau-Florek. Recherchieren, Kontakte knüpfen oder einen Text schreiben kann man auch gemeinsam.
Scharrel: Als ich den Vorsitz übernahm, hatte ich noch meine Einzelpraxis mit voller Sprechstunde. Im Lauf der Zeit habe ich mich mit einer Assistenzkraft und später als Mitinhaberin einer Gemeinschaftspraxis etwas entlastet. Termine liegen meist mitten am Tag, schließlich ist die Teilnahme daran für die übrigen Spieler im System ihre Haupttätigkeit. Dass unsereins eigentlich einen anderen Hauptberuf hat, dafür interessiert sich niemand.
Frau Bechert, der Kampf gegen den Klimawandel und die Rolle der Ärzteschaft bei der Versorgung von Patientinnen in einer immer wärmeren Welt sind für Sie wichtige Punkte. Werden Sie dieses Thema in die Verbandsarbeit einbringen?
Bechert: Ja, das wird mein Thema bleiben. Auch wenn zurzeit wenig über den Klimawandel gesprochen wird, muss man ehrlicherweise sagen, dass er immer wichtiger wird. Keiner weiß, wann und was genau passiert, wie man etwa an den Flächenbränden in Kaliformen sieht. Unsere Berufsgruppe steht ganz vorn bei der Versorgung vulnerablerer Patientinnen, gerade was Schwangere angeht. So zeigen Studien, dass die Zahl der Frühgeburten durch Hitze
zunimmt. Und auch der zweite Punkt ist wichtig: Das Gesundheitswesen trägt 6 % der nationalen CO2-Emissionen bei. Das müssen wir reduzieren, darum kommen wir nicht herum.
Was sind weitere Themen, die nun anstehen?
Bechert: Wie Frau Scharrel gesagt hat, es gibt ständig neue Regularien. Ich sehe als mein zentrales Anliegen, die Arbeit in den Praxen zu unterstützen und eine gute gynäkologische Versorgung aufrecht zu erhalten. Das betrifft die Brustkrebsvorsorge und -behandlung ebenso wie die Betreuung von Schwangeren, aber auch die niedrigschwellige Versorgung bei ungewollter Schwangerschaft. Ein neues Thema ist die elektronische Patientenakte. Die ePA ist grundsätzlich eine gute Idee, um Informationen schneller austauschen zu können, aber es zu etablieren ist nicht einfach, es geht um das Vertrauensverhältnis zu unseren Patientinnen. Ein weiteres Anliegen ist eine eigene Abrechnungsziffer für Beratungen. Viele Patientinnen haben mehr Kontakt zu uns als zu ihren Hausärzten, aber wir können längere Gespräche nur über die psychosomatische Grundversorgung abrechen, und wenn dann eine solche Diagnose in der E-Akte auftaucht, ist das für die Frauen irritierend. Also: Es gibt allerhand zu tun.
Was wünschen Sie sich von den Mitgliedern, wie könnten die den Vorstand unterstützen?
Bechert: Wichtig ist, mir Rückmeldungen zu geben und auf Probleme und Fragen hinzuweisen. Ich kann nur agieren, wenn ich breite Infos aus den Regionen erhalte.
Scharrel: Im Bundesverband heißt es immer: Ohne Zahlen sind wir nur Papiertiger. Im Landesverband habe ich deshalb zu vielen Themen Umfragen gemacht. Die Zahlen helfen, wenn wir dann ins Ministerium oder zur KV gehen. Mit ihnen können wir unsere Forderungen belegen.
Ein Thema, für das Sie sich auch stark eingesetzt haben, ist der Zugang zu Hilfe für ungewollt Schwangere. Wie steht es damit?
Scharrel: Für den medikamentösen Schwangerschaftsabbruch benötigen Kolleginnen und Kollegen nach Richtlinie die Genehmigung „Ambulantes Operieren“ – eine große Hürde für die Praxen. Auf Landesebene haben wir auf Initiative des BVF-SH eine Regelung gefunden, die seit Mai 2024 in Kraft ist, um die Versorgung der Frauen zu erhalten.
Frau Bechert, Sie arbeiten in der Kieler Innenstadt in einer Gemeinschaftspraxis – fünf Ärztinnen, ein Arzt. Auch im Verband gibt es mehr Frauen als Männer, dennoch heißt er weiter Berufsverband der Frauenärzte. Frau Scharrel hatte einen Vorstoß unternommen …
Scharrel: … der scheiterte, denn eine Namensänderung ist tricky. Der Beschluss der Mitgliederversammlung im Verein reicht dafür nicht aus, es braucht zunächst das Votum der Vertreterversammlung der Landesvorsitzenden. Wir haben es jahrelang versucht, die alten Herren dort zu überzeugen, und jetzt endlich könnte es klappen, das freut mich sehr. Mich freut auch, dass es allmählich mehr Frauen in den Verbandsgremien gibt. Da weiß ich Frau Bechert in einem guten Verbund mit vielen engagierten Kolleginnen.
Bechert: Bei der nächsten Mitgliederversammlung des Bundesverbandes wird es um die Frage des Namens gehen. Angedacht ist „Berufsverband der Frauenärztinnen und Frauenärzte“. Um den Titel der Verbandszeitung, den „Frauenarzt“, gibt es weiter Debatten, aber auch da könnte ich mir einen neuen Namen vorstellen. So oder so, ich denke, dass Veränderungen im Gang sind.
Vielen Dank für das Gespräch.