Workshop

Gesundheit braucht Klimaschutz

Die Bekämpfung der Erderwärmung und die Anpassung an veränderte klimatische Bedingungen sind die Herausforderungen unserer Zeit, auch und in besonderem Maße für Ärztinnen und Ärzte. Der Anteil des Gesundheitssystems an den Treibhausgasemissionen beträgt in Deutschland gut 5 %. Eine deutliche Zunahme von hitzebedingten Gesundheitsstörungen und eine Veränderung des Spektrums beispielsweise im Bereich Zoonosen und Allergien bedingen Veränderungen in der Beratung und Behandlung von Patientinnen und Patienten.

Als Reaktion auf die durch die Klimakrise bedingten Herausforderungen für die medizinische Versorgung hat die Akademie der ÄKSH gemeinsam mit Expertinnen und Experten ein neues Workshop-Angebot mit dem Titel „Gesundheit braucht Klimaschutz“ entwickelt. Der Workshop richtete sich an Ärztinnen, Ärzte und Medizinische Assistenzberufe. Im ersten Durchlauf gliederte sich der Workshop in einen Präsenznachmittag, eine E-Learning-Phase und ein abschließendes Webseminar.

Der ausgebuchte Präsenzworkshop diente der gemeinsamen Entwicklung einer „Checkliste Klimaschutz“ für Einrichtungen im Gesundheitswesen. Dr. Norbert Kamin, Internist in einer hausärztlich-internistischen Praxis in Eutin, erläuterte die Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Gesundheit. Er beschrieb Einflüsse von Hitze und anderer durch die Klimaveränderung hervorgerufener Wetterereignisse auf einzelne Organsysteme und legte den Einfluss des Gesundheitssystems auf die Höhe der Treibhausgasemissionen (in Deutschland 5,2 %) dar. Doch welche Möglichkeiten der Verkleinerung unseres Fußabdrucks bestehen in der Praxis?

In den Bereichen „Energie“, „Material/Praxisausstattung/Müll“, „Mobilität“ und „Patientenberatung“ können Treibhausgasemissionen eingespart werden. Im Setting eines sog. World-Cafés (jede Kleingruppe durchläuft jedes Themengebiet und kann auf bereits erarbeitete Ergebnisse aufbauen) wurden im Anschluss an den Vortrag diese Handlungsfelder diskutiert und Lösungsvorschläge erarbeitet.

Am Thementisch „Energie“ wurden zunächst die einfachsten und effektivsten Maßnahmen der Energieeinsparung, die sogenannten „low hanging fruits“ besprochen. Hierzu zählen z. B. die Umstellung auf LED-Leuchtmittel, Konzepte mit dem Ziel, Räume nicht auskühlen zu lassen bei dennoch ausreichender Lüftung, Vermeidung von Stand-by-Betrieb, ggf. Installation von Bewegungsmeldern, Isolier- und Modernisierungsmaßnahmen. Um Energieeinsparungsmaßnahmen erfolgreich durchzuführen, wurde es als notwendig erachtet, nicht nur Mitarbeitende zu informieren und zu sensibilisieren, sondern auch Zuständigkeiten im Personal zu schaffen. Ausgangspunkt wäre zunächst eine Bestandsaufnahme des Fußabdrucks (z. B. CO2-Rechner https://www.thankyounature.org/) und im Verlauf eine Erfolgskontrolle der erreichten Maßnahmen wie z. B. Absenkung des Stromverbrauchs.

Neben Maßnahmen der Energieeffizienz wurde es als sinnvoll angesehen, eine Umstellung auf Stromanbieter, die ihren Strom ausschließlich aus regenerativen Quellen beziehen (Information über z. B. https://www.wirklich-gruen.de/), vorzunehmen. Es wurde auch diskutiert, durch eine Änderung der Vergütungsstruktur die Anreize für eine weniger technische, bzw. Ressourcen einsparende Medizin zu erhöhen. Weiterhin könnten durch eine bessere Vernetzung bzw. Kommunikation im ambulanten Bereich, aber auch zwischen ambulantem und stationärem Sektor ggf. Doppeluntersuchungen vermieden werden.

Am Thementisch „Mobilität“ wurden konkrete Möglichkeiten der CO2-Einsparung erarbeitet. Zunächst ging es um die eigene Mobilität, bzw. die der Mitarbeitenden. Wie kommen die Kollegen zur Arbeit? Gibt es Verbesserungspotenzial im Sinne des Klimaschutzes? Es entstand ein Ideenpool von Bike-Leasing für Mitarbeiter, E-Auto oder Fahrrad für Hausbesuche, vermehrte ÖPNV-Nutzung, Teilnahme an Wettbewerben (z. B. Stadtradeln, https://www.stadtradeln.de/) als Motivation für Mitarbeitende. Es wurde aber auch das Problem erkannt, dass der Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel in einem Flächenland wie Schleswig-Holstein nicht überall einfach möglich ist und dies mehr Beachtung durch die Politik bedarf. Es stellte sich die Frage, ob Praxen und andere Gesundheitseinrichtungen vor Ort nicht eine laute Stimme sein sollten. Wichtig erschien den Teilnehmern insgesamt auch die Vorbildfunktion für Patienten hin zu einer klimafreundlichen Mobilität.

Die zweite Frage beschäftigte sich mit der Mobilität der Patienten. Wichtige Punkte waren etwa das Bereitstellen von Fahrradabstellmöglichkeiten, die Verfügbarkeit von Sammeltaxen und das Darstellen der Erreichbarkeit per ÖPNV/Fahrrad/zu Fuß auf der Website der Einrichtung.

Im letzten Punkt dieses Handlungsfeldes ging es dann darum, wie Wege zur Praxis reduziert werden könnten. Hier stand das Thema eHealth im Vordergrund. Einsparpotenzial bilden aus Sicht der Teilnehmer u. a. die telefonische Krankschreibung, die Videosprechstunde, eine Online-Terminvergabe und -Rezeptbestellung sowie die Kommunikation mit z. B. Pflegeheimen über elektronische Medien. Wichtig erschien aber auch die Vermeidung von Doppeluntersuchungen und eine bessere Vernetzung von Hausärzten und Spezialisten, um unnötige Fahrten zu vermeiden.

Am Thementisch „Patientenberatung“ wurde über die Einbindung des Themas im Patientenkontakt reflektiert. Es fand ein Austausch darüber statt, welche Themen zu klimasensibler Gesundheitsberatung wie und wann im klinischen Setting zur Sprache kommen können und was bei der beratenden Person an Voraussetzungen und Kompetenzen vorliegen sollten. Folgende Themen wurden als wichtig für eine klimasensible Gesundheitsberatung erarbeitet: Hitzeeffekte (insbesondere auf ältere Menschen), klimafreundliche Medikamentenumstellung und mögliche Co-Benefits der Planetary Health Diet und gesteigerter Mobilität. 

Es wurde diskutiert, dass das Einbinden des Themas in die Kommunikation mit Patienten empathisch und motivierend mit einer eigenen klimasensiblen Haltung erfolgen sollte, aber ohne erhobenen Zeigefinger. Zugleich wurden Herausforderungen deutlich, die das Einbinden des Themas in die Kommunikation erschweren. Diese sind die sowieso schon knappen zeitlichen Ressourcen und eine richtige Platzierung im Gespräch. 

In den Diskussionsrunden mit den Gruppen wurde deutlich, dass der Wunsch nach mehr Weiterbildungsangeboten zum Thema Planetary Health besteht, sowie nach einfach zugänglichen und validen Ressourcenangeboten zum Nachlesen.

Die Gruppen schlugen konkrete Maßnahmen vor, um eine klimasensible Gesundheitsberatung im klinischen Alltag niedrigschwellig einzubinden: Dazu könnte die Aufnahme des Themas in den Anamnesebogen gehören, wie auch das Bereitstellen von Infomaterialien im Wartezimmer und ein Thementag „Klimawandel und Gesundheit“ in der Praxis/Klinik. Auch das stärkere Bewusstwerden der eigenen Vorbildrolle im Gesundheitssystem zum Thema Planetary Health könnte ein Beginn sein.    

Am Thementisch „Material“ stellten sich die Teilnehmer zunächst die Fragen, wo in ihrer Einrichtung besonders viel Müll anfällt und ob ein Teil dieses Mülls vermeidbar ist. Aktuell falle besonders in den Infektsprechstunden viel Müll an, der jedoch nur zum Teil vermeidbar sei. Angemahnt wurde ein rationaler Einsatz von persönlicher Schutzausrüstung. Als Müllvermeidungsstrategien wurden ferner ein Abbestellen unverlangt zugesandter Printmedien, die weitgehende Digitalisierung von Praxiskommunikation, das Hinterfragen von Diagnostik wie Laboruntersuchungen und auch Therapie diskutiert. Mülltrennung wurde ebenso als leicht umzusetzender Ansatz genannt, wie die pragmatische Weiternutzung von abgelaufenen Materialien, z. B. für Schulungen. Auch bei der Beschaffung von Material wurden Alternativen zusammengetragen: Verwenden von Recyclingpapier, lokale und regionale Einkaufsgemeinschaften für Sammelbestellungen, das Achten auf Öko-Labels, das Vermeiden von Leerfahrten durch Nutzung von Anbietern, die sowohl Material anliefern als auch Post, Laborproben etc. mitnehmen.

Die Ergebnisse aus den vier Handlungsfeldern wurden zum Abschluss des Workshops präsentiert und diskutiert. Die Teilnehmer wurden in die E-Learning-Plattform der ÄKSH eingeführt, über die die Dozenten den Teilnehmern im Nachgang eine aus den Ergebnissen abgeleitete „Checkliste Klimaschutz“ mit 20 konkreten Maßnahmen zur Reduktion des ökologischen Fußabdruckes von Gesundheitseinrichtungen zur Verfügung stellten. Die Teilnehmer hatten in der anschließenden E-Learning-Phase die Möglichkeit, sich in einem elektronischen Forum untereinander und mit den Dozierenden zur Umsetzung dieser Maßnahmen auszutauschen. 

Zum Abschluss der E-Learning-Phase fand ein Austausch in Form einer Videokonferenz statt. Die Teilnehmenden berichteten von bereits umgesetzten Maßnahmen auf dem Weg zur umweltfreundlichen Praxis: Die konkreten Sofortmaßnahmen reichten über ein Flipchart zur Ideensammlung im Sozialraum einer hausärztlichen Praxis, der Umstellung auf Recyclingpapier, Optimierungen bei der Entsorgung z. B. von benutztem Liegenpapier bis hin zur Organisation von sicheren, trockenen Fahrradabstellmöglichkeiten für das Praxisteam und der Ausweitung des Angebots von Telefon- und Videosprechstunden zur Vermeidung unnötiger Fahrten. Schwierigkeiten bestanden noch im Bereich der Müllvermeidung und der Wiederaufbereitung benutzter Instrumente auch für Nachbarpraxen. Hier berichtete Dr. Carsten Leffmann, ärztlicher Geschäftsführer der Ärztekammer Schleswig-Holstein, von Bemühungen um die Überarbeitung von im ambulanten Bereich nicht sinnvollen Hygienevorschriften und -richtlinien durch Gespräche mit den verantwortlichen Institutionen. Wünsche der Teilnehmer waren eine Anpassung der Vergütungsstrukturen hin zu mehr Anreiz für eine klimafreundliche Versorgung. Nach einem Impulsreferat von Prof. Thomas Kötter zur klimafreundlichen Verordnung von Inhalativa gab Cornelia Mozr von der Akademie der Ärztekammer einen Ausblick auf in Planung befindliche weitere Fortbildungsangebote für Praxisteams sowohl in Form einer aufsuchenden Beratung als auch als Module für „klassische“ Fortbildungsveranstaltungen.
 
Autoren: Dr. Norbert Kamin, Prof. Thomas Kötter, Dr. Maria Noftz, Anne Schluck