Arzt im ÖGD
Die Entscheidung für den ÖGD traf Dr. Meinolf Marx in einer beruflichen Umbruchphase. Er war mit 55 Jahren als Partner einer großen radiologischen Berufsausübungsgemeinschaft ausgeschieden und hatte sich im Masterstudiengang Angewandte Ethik an der Universität Münster u.a. mit der Pandemie beschäftigt, als diese den immensen personellen Bedarf im ÖGD deutlich machte. Marx bewarb sich im Fachdienst Gesundheit des Kreises Pinneberg und hat seit 2020 eine Vollzeitstelle – je zur Hälfte im amtsärztlichen Dienst und im Infektionsschutz.
Mit diesem Weg ist Marx kein Exot. Neben ihm sind weitere Ärztinnen und Ärzte, die zuvor in der stationären Versorgung oder in der Niederlassung tätig waren, gewechselt – aus unterschiedlichen Motiven. Marx erarbeitet im amtsärztlichen Dienst Gutachten, etwa zu medizinischen Fragestellungen, beschäftigt sich mit Themen wie Drogenscreening, anonymer HIV-Sprechstunde oder der Impfsprechstunde.
Attraktiv, unverzichtbar, aber von vielen ignoriert: Der ÖGD
In der Pandemie war er in aller Munde – und jetzt? Wie attraktiv ist der ÖGD für Ärztinnen und Ärzte, wie wichtig für unsere Gesellschaft und was muss sich ändern? Diese Fragen beantworten Dr. Sylvia Hakimpour-Zern und Dr. Victoria Witt aus dem Gesundheitsamt im Kreis Segeberg.
Im Infektionsschutz geht es um den Bevölkerungsschutz und um die Beratung von Gemeinschaftseinrichtungen, Kliniken und Praxen und den Austausch mit den Hygienebeauftragten dieser Einrichtungen.
Marx schätzt diesen Austausch genauso wie den mit den anderen fachärztlichen Gruppen im Fachdienst und weiteren Berufsgruppen. „Ich war es immer gewohnt, mich mit anderen Fachgruppen auszutauschen. Hier ist es vielleicht noch vielfältiger“, sagt Marx. Im ÖGD hat er u.a. Pädiater, Internisten, Psychiater und Neurologen auf ärztlicher Seite, aber auch Sozialarbeiter, Biologen, MTA, Gesundheitsplaner und viele andere Berufsgruppen in seinem Kollegenkreis. Die Kommunikation mit den vielen ärztlichen Fachbereichen ist für ihn genauso wichtig wie mit den anderen Berufen. Eine große Rolle dabei spielt für ihn, dass das Team im Kreis Pinneberg gut zusammenarbeitet. „Wir haben hier eine schlagkräftige Truppe, die einiges bewegen kann“, ist er sicher.
Die Vorteile einer Tätigkeit im ÖGD werden aus seiner Sicht zu wenig wahrgenommen. Bekannt seien die Vorteile, die das Arbeiten im öffentlichen Dienst mit sich bringt: Work-Life-Balance, flexible Teilzeitarbeit und wenig Wochenendarbeit sowie gute Fortbildungsmöglichkeiten und die Chance, sich in einem Team einzubringen. Ihm ist aber genauso wichtig, mit seiner Arbeit zum Gemeinwohl beitragen zu können. Marx ist überzeugt, dass die Bevölkerung von einem starken ÖGD und dessen Arbeit profitiert. Damit dieses Potenzial besser ausgeschöpft werden kann, sollte nach seiner Ansicht die Digitalisierung weiter intensiviert werden. „Sie ist die Voraussetzung dafür, dass der ÖGD eine vernünftige Datengrundlage und -aufbereitung schaffen und den politischen Entscheidungsträgern zur Verfügung stellen kann“, sagt Marx im Gespräch mit dem Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatt.
„Ein starker ÖGD als dritte Säule im Gesundheitssystem neben ambulanter und stationärer Medizin leistet wichtige Netzwerkarbeit u.a. über die kommunalen Gesundheitskonferenzen, in denen sich die Akteure der gesundheitlichen und sozialen Versorgung mit politischen Entscheidern austauschen sowie die regelmäßige Gesundheitsberichterstattung“, sagte Marx.
Auf diesem Weg ist der ÖGD nach seiner Beobachtung vorangekommen. „Das Vorurteil, dass hier noch ausschließlich gefaxt wird, stimmt nicht“, stellt er klar. Auf dem heutigen Stand allerdings sollte die Digitalisierung im ÖGD auch nicht stehen bleiben: „Ich würde es kritisch sehen, wenn die Mittel für die Digitalisierung gestrichen werden.“
Marx plant, dass er sich in den verbleibenden Berufsjahren der Arbeit im ÖGD widmen wird. Neben seiner Arbeit absolviert er seine Weiterbildung zum Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen, bis Jahresende könnte er seine Prüfung bereits absolviert haben. Sein Zwischenfazit fällt rundum positiv aus, den Weg in den ÖGD hat er bis heute nicht bereut: „Ich bin froh, dass ich diesen Schritt gegangen bin.“
Dirk Schnack