Prof. Kerstin von der Decken

Ministerin in der Kammerversammlung

Ärztliche Fortbildung sollte möglichst unabhängig erfolgen – dieser Grundsatz stand außer Frage in der Diskussion der Kammerversammlung im September, als über eine mögliche Änderung der Fortbildungsordnung gesprochen wurde. Unterschiedliche Meinungen aber gab es zu der Frage, ob ärztliche Fortbildungen weiterhin von der Ärztekammer bepunktet werden, wenn diese Veranstaltungen von der Industrie mit finanziellen Mitteln bezuschusst werden, die über eine reine Kostendeckung für die veranstaltenden Verbände hinausgehen.  

Klar ist: Derzeit gibt es Fortbildungen, die alle fachlichen Kriterien erfüllen, von der Kammer bepunktet und von der Industrie gesponsert werden. Dies geschieht in manchen Fällen in einem Ausmaß, das die Kosten für die Veranstaltungen übersteigt. Die ausrichtenden Verbände und Fachgesellschaften verwenden diese zum Teil beträchtlichen Mittel für ihre wissenschaftliche Arbeit, zum Beispiel für die Erstellung von Leitlinien. Diese Praxis wird innerärztlich seit Jahren diskutiert und hatte auf dem Deutschen Ärztetag in Mainz zu einer Änderung der Musterfortbildungsordnung geführt.  
Punkte für Fortbildungsveranstaltungen soll es danach nur noch geben, wenn die ausrichtenden Gesellschaften damit ausschließlich die anfallenden Kosten für die betreffende Veranstaltung decken. Ausrichter müssten sich künftig entscheiden: Entweder die Sponsorenmittel auf die reinen Kosten zurückfahren oder auf eine Bepunktung der eigenen Veranstaltung verzichten. Die Diskussion im Vorwege des Deutschen Ärztetags war unter Einbeziehung des Dachverbandes der großen Fachgesellschaften geführt worden. In Mainz hatten sich die Delegierten durchgesetzt, die eine Bepunktung für solch aufwendig gesponserte Veranstaltungen ablehnen. 
 


Podcast des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblattes - Staffel 5 Folge 30 

Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken im Interview

Sie ist Landesministerin für Gesundheit und Justiz in Schleswig-Holstein, amtierende Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz der Länder und stets im Dialog mit den Akteuren im Gesundheitswesen: Prof. Kerstin von der Decken (CDU) berichtet im Podcast über ihre Arbeit und wie sie die Diskussion mit den Delegierten der Ärztekammer Schleswig-Holstein erlebt hat.


Schleswig-Holsteins Ärztekammer plant eine Abstimmung zu einer entsprechenden Änderung seiner Fortbildungsordnung für die Novembersitzung und hatte das Thema deshalb auf die Agenda im September gesetzt. Die Diskussion zeigte 
die zahlreichen Facetten des Themas. Die wichtigsten genannten Vorbehalte zu diesem Thema: 

  • Dr. Christian Hirschner aus Kiel zeigte 
    sich enttäuscht, dass der Vorstand das Thema „kommentarlos“ präsentierte. Er gab zu bedenken, dass die Sponsoringmittel für die Arbeit der Fachgesellschaften an Leitlinien benötigt werden. Auch Dr. Sebastian Irmer aus Eckernförde berichtete, dass sich große Berufsverbände besorgt wegen der geplanten Änderung und einer möglichen Mittelverknappung zeigen. Hirschner bemängelte zudem, dass Schleswig-Holstein das Thema früher als andere Ärztekammern behandelt. Er fragte: „Woher kommt der Druck?“ 
  • Dr. Svante Gehring aus Norderstedt hob auf die bürokratischen Folgen der geplanten Änderung ab. Die Antragstellung wird nach seiner Befürchtung kompliziert, er schloss auch nicht aus, dass sich die Kammer mit der Entscheidung im Einzelfall angreifbar machen könnte. Er verwies auf die gute Zusammenarbeit im Förderkreis Qualitätssicherung Schleswig-Holstein (FKQS) und regte Musterverträge an, die dort im Konsens erarbeitet werden könnten. Gehring erinnerte auch daran, dass die Industrie beim Sponsoring schon zahlreichen Restriktionen unterworfen ist. 
  • Dr. Holger Hinrichsen aus Kiel gab zu bedenken, dass Fortbildungen etwa großer Kliniken und Konzerne von dieser Änderung unberührt weiterhin bepunktet werden, obwohl dort oft keine unabhängige medizinische Meinungsbildung stattfindet: Stattdessen werden Regelungen, die dem eigenen Haus nützen, ohne Abweichungen präsentiert und andere Meinungen zum Teil unterdrückt. 

Daneben zeigten Statements anderer Kammerdelegierter das Verständnis für die Sorge, die mit hohen Sponsorenmitteln verbunden sind. Dr. Georg Engelbart aus Lübeck verwies auf die Bedeutung von Transparenz solcher Entscheidungen für die Integrität der Ärzteschaft und fragte mit Blick auf die die Kosten deutlich übersteigenden Mittel: „Mit welcher Erwartungshaltung ist so viel mehr an Sponsoring verknüpft?“ Er hält dies für schwer vermittelbar und sprach sich für eine bundesweite Regelung aus, die der Musterfortbildungsordnung folgt. 
Präsident Prof. Henrik Herrmann verwies auf die lange Diskussion und Meinungsbildung im Vorwege innerhalb der Selbstverwaltung über die geplante Regelung und die Tatsache, dass das Sponsoring schließlich nicht verboten werden soll. Es gehe nur um die Fortbildungspunkte: Diese 
würden auch künftig noch an gesponserte Veranstaltungen vergeben, wenn damit nur die Veranstaltungskosten gedeckt werden. Der Präsident erinnerte zugleich an die Vorgeschichte der Fortbildungspunkte: 

Diese waren von der Selbstverwaltung eingeführt worden, um eine in der Politik diskutierte Re-Zertifizierung in Form von Facharztprüfungen zu vermeiden. „Dann bräuchten wir die Punkte nicht“, verwies er auf die Alternative. Die kritischen Haltungen zur Änderung hätte er sich im Vorwege 
deutlicher gewünscht: „Dann wäre das vielleicht in Mainz noch nicht auf der Tagesordnung gelandet und wir hätten uns inner­ärztlich noch mehr Zeit für die Meinungsbildung genommen.“

Dr. Hendrik Schönbohm aus Alt Duvenstedt ließ erkennen, dass er zu der geplanten Änderung tendiert, damit die Ärzteschaft nach seiner Ansicht weniger Angriffsfläche bietet und durch Transparenz das Risiko für staatliche Eingriffe senkt. Hirschner dagegen kündigte an, dass er beantragen wird, dass die Kammerversammlung im November noch nicht über die Änderung abstimmen soll. 

Die Diskussion über das Thema brachte Dr. Norbert Jaeger aus Kiel ins Grübeln zu einer früheren Entscheidung: Die Abschaffung des Fortbildungsausschusses. Von diesem hätte er sich in dieser Diskussion Orientierung gewünscht. 

Ein anderer Punkt aus der Fortbildung: Veranstalter haben nun die Möglichkeit, ihre Veranstaltung in Schleswig-Holstein als klimafreundlich von der Kammer zertifizieren zu lassen. Die Kammer hat auf Initiative u.a. von Vorstandsmitglied Anne Schluck aus Eutin eine Checkliste erstellt, die Veranstalter für eine entsprechende Zertifizierung abarbeiten müssen. Dabei geht es um die Einhaltung von Kriterien, etwa ob der Veranstaltungsort mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar ist.  

Deutlich weniger Raum nahm die interne Austauschplattform „Agile Kammer“ ein. Die geringe Resonanz auf dieses Angebot hat dazu geführt, dass sie neu ausgerichtet und belebt werden soll. Hannah Teipel aus dem Vorstand der Ärztekammer warb für die Neuaufstellung, für die sie um Unterstützung aus den Reihen der Kammerversammlung warb – und bekam. Es wird sich eine Gruppe bilden, die die Agile Kammer neu aufstellt. 
Neben der inhaltlichen Auseinandersetzung zu fachlichen Themen gab es auch eine wichtige personelle Weichenstellung: Yannek Drees wurde zum neuen kaufmännischen Geschäftsführer der Ärztekammer bestellt. Drees ist Betriebswirt und bislang Geschäftsführer der Eider-Treene-Sorge-GmbH, eines Zusammenschlusses von acht Amtsregionen. Er wird Nachfolger von Karsten Brandstetter, der inzwischen stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KV Schleswig-Holstein ist. Drees tritt seinen Posten am 1. November an und wird dann gemeinsam mit der neuen ärztlichen Geschäftsführerin Dr. Gisa Andresen, die Dr. Carsten Leffmann abgelöst hat, das neue Führungsduo in der Kammerverwaltung bilden.
Dirk Schnack