Ein Gespräch gegen Spannungen und Vorurteile
Ärzteschaft und Journalisten – ein Verhältnis, das nicht frei ist von Spannungen und oft von Vorurteilen geprägt. Viele Ärztinnen und Ärzte sehen ihre Tätigkeit in den Medien zum Teil verzerrt dargestellt, Journalisten wiederum nehmen nicht immer wahr, dass auf die Herausforderungen ihrer Arbeit angemessen reagiert wird.
Zugleich gibt es zwischen beiden Berufsgruppen Berührungspunkte, etwa bei der Aufklärung der Bevölkerung über wichtige Erkrankungen. Auch haben beide Berufsgruppen durchaus Gemeinsamkeiten, zum Beispiel die Heterogenität. Nur: Für den verkammerten Beruf der Ärzteschaft gibt es feste Strukturen und Institutionen. Wer aber repräsentiert "die Medien"?
Ein Ansprechpartner ist der Deutsche Journalistenverband (DJV), der als Berufsverband und Gewerkschaft zugleich fungiert. Er stellt seinen Mitgliedern rechtliche Beratung zur Verfügung, organisiert Fortbildungen und prämiert jährlich journalistische Leistungen seiner Mitglieder mit einem Preis. Der DJV-Vorstand ist in der Bundestarifkommission vertreten und kann sich dort für die finanziellen Belange der Journalisten in Schleswig-Holstein einsetzen.
Vorsitzender des DJV in Schleswig-Holstein ist der Lübecker Lokalredakteur Kai Dordowsky, der sich mit Kammerpräsident Prof. Henrik Herrmann in Bad Segeberg zu einem Austausch über das Verhältnis und die Zusammenarbeit der beiden Berufe traf. Eines der Ergebnisse: Die Kommunikation zwischen Journalisten und Ärzten sowie Institutionen aus dem Gesundheitswesen hat sich während der Pandemie zwar verbessert, es gibt aber noch Potenzial nach oben.
Dordowsky erinnerte daran, dass Journalisten täglich mit wechselnden Themen aus unterschiedlichen Bereichen konfrontiert sind – von kommunalpolitischen Entwicklungen über Sportereignisse bis zu kulturellen Veranstaltungen kann alles dabei sein. Gelegentlich gehören auch Entwicklungen des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung dazu – Fachkenntnis kann man deshalb sicherlich nicht voraussetzen.
„Wenn man nicht gerade Medizinjournalist ist, hat man kaum Berührungspunkte mit Ärztinnen oder Ärzten“, gab Dordowsky zu bedenken. „In den 30 Jahren, die ich als Lokaljournalist arbeite, ist nicht ein Arzt mit einem Thema auf mich zugekommen“, beschrieb er die Kontaktarmut bis zur Pandemie.
Vor der Pandemie sei über die klassischen Themen aus dem Gesundheitswesen berichtet worden, etwa Grippewellen. Oder über schwierige Suche nach Nachfolgern für Arztpraxen auf dem Land. Dies könne man zur Veranschaulichung heranziehen, um die dahinterliegenden Probleme aufzudecken. „In gewisser Weise gilt: Erst eine schlechte Nachricht ist eine gute Nachricht“, erklärt Dordowsky. Gemeint ist damit jedoch nicht etwa Sensationsgier, die Medienschaffenden häufig vorgeworfen wird. Schlechte Nachrichten, die an Journalisten herangetragen werden, führten vielmehr dazu, dass sie hinterfragt werden. Problematische Situationen, Prozesse oder Lebenslagen können auf diese Weise aufgedeckt und Bewusstsein geschaffen werden. Journalisten könnten im Zuge der Recherchen auf Alternativen stoßen. Im Idealfall könne Berichterstattung zu einer Verbesserung oder Lösung eines strukturellen Problems führen.
Diese Herangehensweise begrüßte Prof. Henrik Herrmann, der als Präsident häufig Kontakte zu Journalisten unterschiedlicher Medien hat. Ihm liegt viel an einer offenen und vertrauensvollen Beziehung zu seriösen Medien. „Als neutrale Institution war und ist es uns wichtig, ein sprachfähiger Ansprechpartner von Medienvertretern zu sein. Wir können wertfrei über diese Entwicklungen im Gesundheitswesen informieren“, sagte Herrmann.
Komplexe Themen und Entwicklungen im Gesundheitswesen ließen sich gegenüber Journalisten über Themenveranstaltungen und Hintergrundgespräche erklären.
Die beidseitige Kommunikation hat nach seiner Wahrnehmung in den vergangenen Jahren zugenommen. So erreichten die Ärztekammer schon vor der Pandemie mehr Medienanfragen als noch vor einigen Jahren. Gleichzeitig nutzt die Kammer diesen Kommunikationsweg, um auf Missstände, Fehlanreize und Entwicklungen im Gesundheitswesen hinzuweisen. Den Kontakt der Ärztekammer mit Journalisten möchte Herrmann pflegen und möglichst intensivieren.
Diese Offenheit ist nach Erfahrungen Dordowskys keine Selbstverständlichkeit. Dies zeigte sich auch in der Pandemie, als der Bedarf der Bevölkerung an Informationen über Krankheitsverläufe, Fallzahlen und Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie rasant stieg. Dass es zu vielen Fragen oft noch keine Antworten gab, sollte aus Sicht Dordowskys kein Grund für Funkstille zu Journalisten sein: „Es muss auch darüber berichtet werden, dass zu manchen Dingen noch keine Aussagen getroffen werden können.“
Problematisch wird es für ihn, wenn Berichterstattern der Zugang zu Informationen verwehrt wird und sie deshalb ihren Aufgaben nicht nachkommen können – was in der Pandemie tatsächlich vorkam und Journalisten vereinzelt dazu gezwungen waren, sich die Informationen über den Rechtsweg einklagen zu müssen. Vorangegangene Anfragen waren von öffentlichen Stellen mit der Begründung abgelehnt worden, dass die Informationen zu einer Verunsicherung der Bevölkerung beitragen könnten. Für das den Journalisten entgegengebrachte Misstrauen und dem Bruch mit dem Informationszugangsgesetz, das den Informationsfluss von öffentlichen Einrichtungen gegenüber Medienvertretern regelt, hat Dordowsky wenig Verständnis.
Anders ist dies mit Einzelpersonen, die im Umgang mit Medien oft unsicher sind. „Ein Arzt, der das erste Mal mit Medien in Kontakt kommt, sorgt sich, was danach in der Zeitung erscheint“, weiß Dordowsky aus Erfahrung. Vertrauen schaffen ließe sich in solchen Fällen etwa, indem der geplante Bericht vor der Veröffentlichung mit dem Arzt besprochen wird – was aber nicht immer möglich ist. Denn was beide Berufsgruppen eint, ist neben dem stetig wechselnden Kontakt mit Menschen mit ihren unterschiedlichen Lebensgeschichten und Hintergründen auch der ständige berufliche Zeitdruck. Das führe nicht selten dazu, dass Journalisten einfache Fragen zu komplexen Themen stellten und erwarten, fundierte und verständliche Antworten zu erhalten. Das Gesundheitswesen hat eine Vielzahl solch komplexer Sachgebiete vorzuweisen: Sich ändernde Versorgungsformen, die Digitalisierung, das Abrechnungssystem – hinter diesen Punkten verbirgt sich ein vielschichtiges und verflochtenes Themennetz, zu denen sich Fragen nur selten in aller Kürze beantworten lassen.
Text: Stephan Göhrmann
Foto: Rubia Kieckbusch