Eine echte Alternative: Die Bauchfelldialyse
DIALYSE - Zur weit verbreiteten Hämodialyse gibt es eine Alternative, die immer seltener gelehrt wird – obwohl gute Argumente für die Peritonealdialyse sprechen. Ein vom Land gefördertes Projekt soll dazu beitragen, dass die Bauchfelldialyse wieder stärkere Verbreitung findet.
Das Verfahren der Bauchfelldialyse ist weder neu, noch unbekannt. In Deutschland nutzen es rund sechs Prozent der Dialysepatienten, in Schleswig-Holstein nur rund vier Prozent. Aus Sicht von PD Dr. Kevin Schulte spricht vieles für eine stärkere
Verbreitung der Peritonealdialyse. Der kommissarische Direktor der Klinik für Innere Medizin IV mit Schwerpunkt Nieren- und Hochdruckkrankheiten am UKSH in Kiel nennt als Vorteile für die Patienten weniger Fahrtzeit, mehr Autonomie und Lebensqualität und für die Praxen eine geringere Beanspruchung des Fachpersonals bei gleichbleibender Versorgungsqualität.
Warum also hat sich das Verfahren nicht stärker etabliert? Schulte verweist auf historisch gewachsene Strukturen: Die Hämodialyse habe sich vor Jahrzehnten durchgesetzt, weil die Abrechnung damals günstiger für die Praxen war. Mit ihrem steigenden Einsatz sank die Bedeutung der Bauchfelldialyse in Aus- und Weiterbildung und erscheint inzwischen vielen Ärzten wie eine Rarität. Wer sie dennoch anbietet, muss bei den Patienten Überzeugungsarbeit leisten. Hinzu kommt: „Eine Praxis braucht schon einige Patienten, damit der Einsatz der Peritonealdialyse wirtschaftlich ist“, sagt Schulte.
Er legt Wert darauf, dass Dialysepatienten nicht aus ihren bisherigen Praxen in das UKSH oder andere Einrichtungen umgeleitet werden. Neben der Lebensqualität für die Patienten spricht aus seiner Sicht insbesondere der Fachkräftemangel für die Peritonealdialyse, da Patienten bei diesem Verfahren weniger Praxispersonal beanspruchen.
Das Landesgesundheitsministerium zeigte sich von den Vorteilen des Verfahrens so überzeugt, dass ein Projekt zu dessen Verbreitung in die Förderung durch den Versorgungssicherungsfonds aufgenommen wurde. Gesundheitsministerin Prof. Kerstin von der Decken (CDU) sagte dazu: „Gute Versorgung und effizienter Ressourcenverbrauch müssen nicht im Widerspruch stehen, sondern können Hand in Hand funktionieren.“ Das Projekt der UKSH-Klinik unter dem Namen SKIP-SH (Sektorenübergreifende Koordinierungsstelle zur nachhaltigen Intensivierung der Peritonealdialyse in Schleswig-Holstein) wird mit einer halben Million Euro unterstützt, um die wenig bekannte Alternative zu stärken und bekannter zu machen. Schulte und sein Team in einer Koordinierungsstelle treten deshalb seit Projektstart Anfang September in Kontakt mit den Dialysepraxen im Land.
Sie erheben zunächst, wo die Praxen Unterstützungsbedarf haben und weshalb sie bislang auf die Hämodialyse setzen. Die an sie kommunizierten Wünsche nach Unterstützung sind breit und reichen bis hin zum Wunsch, dass die Koordinierungsstelle die Patienten aufsucht und aufklärt. Schulte räumt in den Gesprächen mit den Praxen auch mit Missverständnissen auf: „Unser Ziel ist es nicht, die Patienten an das UKSH zu holen. Alle sollen in den Praxen bleiben, in denen sie sich gut aufgehoben fühlen.“ Er stellt klar: „Wir sind Multiplikator, nicht Staubsauger.“
Wichtig ist für die Dialysepraxen, dass sich die Vergütung im Vergleich zur Hämodialyse nicht mehr unterscheidet, aber den Personaleinsatz reduziert. Die Patienten müssten nur noch alle paar Wochen in die Praxen kommen. Da sich der Fachkräftemangel immer mehr auch in den Praxen bemerkbar macht, hält Schulte die Zeit für geeignet, auf die Alternative umzuschwenken. Flankiert wird das Projekt durch eine wissenschaftliche Evaluation und durch ein innovatives Lehrprojekt, bei dem Medizinstudierende in Kiel das Anlegen einer Bauchfelldialyse per VR-Brille lernen.
Dirk Schnack