Kinder im Fokus
PÄDIATRIE - Die Kinder- und Jugendmediziner haben auf einer Tagung in Kiel auf ihre Probleme aufmerksam gemacht. Der Landesverband im Berufsverband der Kinder- und Jugendmediziner (BVKJ) stimmte Mitglieder und Öffentlichkeit auf einen Winter „im Krisenmodus“ ein. Vorschläge, wie dieser zu überwinden wäre, blieben Mangelware.
Patienten sollten sich darauf einstellen, dass sich Wartezeiten auf Termine verlängern und verordnete Medikamente nicht erhältlich sein werden. Mehr Praxen werden Aufnahmestopps verhängen, Termine absagen und vereinzelte Untersuchungen nicht mehr vornehmen: Die Ankündigungen des BVKJ-Landesverbandes im Pressegespräch klangen düster, entsprachen aber der Stimmung, die zuvor in Vorträgen und Podiumsdiskussion deutlich wurde.
„Es herrscht sehr viel Frust unter den Kolleginnen und Kollegen“, sagte der BVKJ-Landesvorsitzende Dr. Ralf van Heek über die Stimmung in seiner Fachgruppe. Die Diskussion hatte gezeigt, dass dies auch in anderen ärztlichen Fachgruppen, ärztlichen Körperschaften und Apotheken gilt. An der Podiumsdiskussion hatten u.a. die Vizepräsidentin der Ärztekammer, Dr. Gisa Andresen, KV-Chefin Dr. Monika Schliffke und der Präsident der Apothekerkammer, Dr. Kai Christiansen, teilgenommen. Positiv nahmen alle mit, dass auf Landesebene weiterhin konstruktiv nach gemeinsamen Lösungen für Probleme gesucht wird. Das schließt auch das Gesundheitsministerium mit ein. Landesgesundheitsministerin Prof. Kerstin von der Decken (CDU) zeigte nicht nur ihr Interesse und hörte zu, sondern signalisierte auch ihre Gesprächsbereitschaft zu den Problemen. Bei allen Schwierigkeiten: Es gibt auch vereinzelte gute Nachrichten wie etwa die zum Neubau der Kinderklinik am Friedrich-Ebert-Krankenhaus (FEK) in Neumünster.
Das ändert nichts an den Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen, die nach Ansicht der Pädiater für die anhaltenden Probleme verantwortlich sind – zu knapp bemessene Ressourcen, zu hohe Ansprüche der Bevölkerung und weitgehende Missachtung von Interessen und Vorschlägen der Ärzteschaft und der anderen Heilberufe durch die Gesundheitspolitik auf Bundesebene.
Van Heek machte in der Podiumsdiskussion und im Pressegespräch deutlich, dass seine Fachgruppe es oft mit übersteigerten Erwartungen der Eltern zu tun hat, die mit geringsten Beschwerden ihres Nachwuchses sofortige Abklärung fordern. Der Rendsburger Pädiater Dr. Sebastian Groth berichtete, dass wegen der Beschäftigung mit nicht dringenden Fällen oft die Zeit für dringend erforderliche Behandlungen fehle. Dr. Jens Hartwig aus Schleswig, stellvertretender Landesvorsitzender, bestätigte dies auch aus den zwölf Anlaufpraxen im Norden, die ebenfalls viele Bagatellfälle verzeichnen.
Van Heek sieht hier Politik und Krankenkassen in der Pflicht, weil diese nach seiner Wahrnehmung oft den Eindruck vermitteln, „dass jeder alles bekommt und das sofort“. An die Adresse seiner Kolleginnen und Kollegen sagte der Landesvorsitzende: „Wir müssen lernen, nicht nach den Bedürfnissen der Eltern, sondern nach dem echten Bedarf der Kinder zu handeln.“ Zugleich appellierte er an Politik, Krankenkassen und die Medien, die Anspruchshaltung zu überdenken.
Abhilfe erhoffen sich die Pädiater vor allem durch strukturierte Ersteinschätzungsverfahren wie beispielsweise SMed. Die damit einhergehende Triagierung könne helfen, die personellen Ressourcen zielgerichteter einzusetzen.
Auf die Stimmung in der Pädiatrie drücken weitere Probleme, die auf der Tagung ebenfalls angesprochen wurden. Dazu gehören u.a. die ausgedünnte Versorgung in einigen Spezialfächern wie der Kinderrheumatologie, die Weiterbildung, eine nicht der Realität entsprechende Bedarfsplanung und die langen Wartezeiten für Patienten, die sie in die kinder- und jugendpsychiatrische Behandlung überweisen. In Schleswig-Holstein arbeiten derzeit rund 260 Pädiater in rund 200 Praxen. Insgesamt sind rund 700 Kinder- und Jugendmediziner im Land tätig. 97 % der Niedergelassenen sind im Landesverband organisiert.
Dirk Schnack