Interview zur Fortbildung
Volles Haus, namhafte Experten, spannende Live-Cases, anregende Diskussionen – der „Kardio Kompass Nord“, die Fort- und Weiterbildungsveranstaltung des Herz- und Gefäßzentrums der Segeberger Kliniken, war für die Veranstalter ein Erfolg. „Im Rahmen der Fortbildung wurden neueste Methoden und Verfahren in der interventionellen und auch chirurgischen Herzmedizin vorgestellt und diskutiert. Das war ein hervorragender Wissensaustausch, der Fachleute aus Kliniken und Praxen aus ganz Schleswig-Holstein angezogen hat“, resümierte Prof. Holger Nef, Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie. Diskutiert wurden unter anderem aktuelle Entwicklungen bei der Behandlung von Herzklappenfehlern, Vorhofflimmern, Herzinsuffizienz und Hypertonie. Im Interview mit dem Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatt gingen Nef und sein Kollege Prof. Stefan Klotz, Chefarzt der Herzchirurgie, anschließend näher auf Diagnose- und Therapieoptionen bei akuten und chronischen Koronarerkrankungen ein.
Die koronare Computertomografie-Angiografie (CCTA) ermöglicht eine nicht-invasive, kontrastmittelverstärkte Darstellung der Herzkranzgefäße, um Gefäßverengungen nachzuweisen. Läuft die CCTA der invasiven Herzkatheteruntersuchung den Rang ab?
Prof. Holger Nef: In der Tat ist die Bedeutung der CCTA in den vergangenen Jahren größer geworden. Das liegt an der verbesserten Auflösung des bildgebenden Verfahrens, der Informationsgehalt in der Diagnostik hat deutlich dazugewonnen. Somit kann auf die eine oder andere Koronarangiografie verzichtet werden.
Aber?
Nef: Die CCTA hat wesentliche Limitationen, ihre Aussagekraft ist beschränkt, etwa wenn schon Stents vorimplantiert sind oder die Kalkansammlung in den Kranzgefäßen hoch ist. Die CCTA hat einen hohen negativen prädiktiven Wert. Sind die Ursachen für die Beschwerden nicht koronarbedingt, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass die CCTA dies richtig diagnostiziert. Liegt jedoch eine koronare Herzerkrankung vor, ist der Schweregrad der Stenose aufgrund der beschränkten Aussagekraft der Bilder nicht immer gut vorhersagbar.
Der Gemeinsame Bundesausschuss G-BA hat die CCTA in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen aufgenommen und seit Oktober als ambulante Behandlungsmöglichkeit freigegeben. Ist das in Ihrem Sinne?
Prof. Stefan Klotz: Das begrüßen wir prinzipiell sehr, insbesondere wenn es um schnelle diagnostische Abklärung, Prävention und Erhalt der Herzgesundheit geht. Allerdings sehen wir eine große Gefahr, weil die Interpretation der CCTA-Bilder in der Hausarztpraxis oder beim Radiologen ohne kardiologische Expertise gemacht wird. Deshalb unser Appell an niedergelassene Ärzte: Lasst uns koronare Herzpatienten gemeinsam behandeln.
Nef: Der Beschluss des G-BA kann jetzt bewirken, dass mehr CCTA gemacht werden. Bei der Frage, ob dadurch wie gewünscht eines Tages die Zahl der Katheterinterventionen reduziert werden kann, ist es wichtig, dass wir die Bilder gemeinsam befunden und die richtigen Rückschlüsse daraus ziehen.
Klotz: Man muss außerdem dazu sagen, dass eine CCTA gemäß Leitlinien nur bei einem niedrigen oder moderaten Risiko für eine koronare Herzerkrankung indiziert ist. Bei Patienten mit einem Stent ist die Wahrscheinlichkeit für einen interventionellen Herzkatheter groß, mit einer dann wenig aussagekräftigen CCTA vorab hätten wir ansonsten eine doppelte Strahlenbelastung. Ein anderer Punkt: Die Befundung ist extrem davon abhängig, ob ein Patient übergewichtig ist. Bei schlanken Patienten mit niedriger Herzfrequenz liefert eine CCTA sehr gute Bilder, bei Übergewichtigen mit schneller Herzfrequenz oder Vorhofflimmern ist die Qualität meist so schlecht, dass eine Herzkatheteruntersuchung bevorzugt werden sollte.
Zur koronaren Revaskularisation: Wann wird eine Katheterintervention mit Stent und wann eine chirurgische Bypass-OP bevorzugt?
Klotz: Ein akuter Infarktpatient kommt über die Notaufnahme sofort ins Katheterlabor, um das verschlossene Gefäß schnellstmöglich wieder zu eröffnen. In solchen Fällen sind wir als Herzchirurgen nur im Notfall tätig. Bei chronischen Koronarpatienten gilt: Je komplexer die Erkrankung, desto eher kommt eine chirurgische Bypassversorgung infrage. Wir berechnen den Schweregrad der Erkrankung mit einem Score, der den Verkalkungsgrad der Gefäße, das Alter, Lungen- und Nierenfunktion sowie Vorerkrankungen wie Diabetes berücksichtigt. Am wichtigsten ist aber, dass solche Patienten im Heart-Team gemeinsam besprochen werden und abhängig von Schweregrad und Befund die sinnvollste Therapie festgelegt und mit dem Patienten besprochen wird.
Nef: Bei einem stabilen Patienten mit ein bis zwei betroffenen Gefäßen ist eine Katheterbehandlung mit Stentimplantation in den allermeisten Fällen eine sehr gute Lösung. Bei komplexen Mehrgefäßerkrankungen hilft der Chirurg mutmaßlich besser. Handelt es sich hierbei jedoch um Hochrisikopatienten – also etwa alte Patienten, bei denen Narkose und Herzlungenmaschine riskant sind – können wir auch diese im Katheterlabor mit einem Stent versorgen.
Gibt es für genau solche Fälle den Hybrid-OP?
Klotz: Ein Hybrid-OP ist definiert als ein Herzkatheterlabor mit guter Röntgenanlage im OP-Trakt. Das heißt, wenn bei der Katheterintervention unerwartet Komplikationen auftreten, kann der Patient ohne Raumwechsel und ohne Zeitverlust optimal chirurgisch behandelt werden.
Nef: Bei uns in Segeberg ist der Hybrid-OP in aller Regel für die TAVI, die Aortenklappenimplantation mittels Katheter, reserviert. Das ist immer ein gemeinschaftlicher Eingriff, der vom Kardiologen geleitet wird und bei dem wir mit dem Chirurgen einen starken Partner im Hintergrund wissen.
Zum Schluss ein kurzer Ausblick: Wohin steuert die Herzmedizin in Chirurgie und Kardiologie?
Klotz: In der Chirurgie werden wir immer minimalinvasiver, auch bei der Herzklappen-OP gibt es keinen großen Schnitt mehr, mit dem wir das Brustbein öffnen müssen. Die Technik schreitet schnell voran, die OP-Instrumente und die Kanülen für die Herz-Lungen-Maschine werden immer kleiner, sodass wir keine großen Zugänge mehr benötigen. Das ist für den Patienten viel schonender und ermöglicht eine schnellere Genesung.
Nef: Kardiologie und Herzchirurgie verschmelzen immer weiter. Natürlich hat jeder Bereich seine Schwerpunkte, allerdings gibt es eine große Schnittmenge an Erkrankungen, die durch beide Disziplinen versorgt werden. Entscheidend ist, dass die Zusammenarbeit aller Disziplinen im Team zu einer Vervielfachung der Expertise führt. Das ist in dieser Form nur an einem spezialisierten Herz- und Gefäßzentrum möglich.
Vielen Dank für das Gespräch.
Uwe Groenewold